Wissenschaftliche Wurzeln
Erkenntnissicherung
Die Vorstellungen in der Allgemeinheit zu Umweltkrankheiten ist die, dass sie ganz neu und wissenschaftlich nicht fassbar sind. Das ist falsch und dieses falsche Bewusstsein ist ab dem Zeitpunkt gewollt, seit chronische Vergiftungen ein allgemeines Problem geworden sind. Jeder glaubt, dass es sie gibt, aber medizinisch-wissenschaftlich noch unbekanntes Gebiet sei.
Tatsächlich existiert die Umweltmedizin seit Mitte des 20. Jahrhunderts und ist auch wissenschaftlich tief und ausreichend durchdrungen.
Eine große Vielfalt von Beobachtungen und Zusammenhängen erfordert eine gewisse Absicherung gegenüber dem Irrtum. Eine These muss sich erfolgreich gegen mehrere Versuch der Falsifizierung als stabil erweisen bis sie gesicherte Erkenntnis wird. Das ist der Fall, wenn die Hypothesen gründlich diskutiert werden und sich im Weiteren keine Widersprüche ergeben. Das kann nur dann der Fall sein, wenn ein langer Entwicklungszeitraum und eine große Anzahl an Beiträgen dies stützt. Deshalb muss nach der Feststellung der wissenschaftlichen Stati von Definition und Ursachenerkennung der Umwelterkrankungen eine Darstellung der wissenschaftlichen Wurzeln der Umweltmedizin folgen.
Wurzeln und historische Entwicklung
Am Anfang - jahrzehntelang - gab es ausschließlich klinische Erfahrungen am Menschen: Kasuistik und Epidemiologie. Seit den 80er Jahren kann die chemische Analytik auch in den Bereichen der Umweltbelastungen nachschauen. So kann man in der Folge Wirkungen auf das Immunsystem, das Nervensystem (Neurochemie) und dergl. erforschen.
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Die Umweltmedizin hat sich aus verschiedenen medizinischen Disziplinen entwickelt (vgl. Grafik). Die Initialzündung ist die Begegnung der umweltbezogenen Allergologie mit der Ernährungs- und der Orthomolekularmedizin (vgl. dazu Rogers ##, Werbach ##). Diese Entwicklung stand auch Pate bei der Gründung der internationalen Zeitschrift Journal of Nutritional & Environmental Medicine.
Hyposensibilisierung statt Psychiatrie |
Am Anfang war die Allergologie |
Von der Entdeckung der maskierten Allergie durch Rinkel, über Lee, der eine intrakutane Testmethode entwickelte, bis zur Miller’ schen P/N-Therapie war Umweltmedizin im wesentlichen Allergologie (Rinkel 1930, Lee ##, Miller 1977, vgl. auch „Medizin (Therapie)“).
Mittels Neutralisationstherapie konnte Miller die Heilmöglichkeiten vieler Erkrankungen nachweisen, einige davon sind solche, die aus der Sicht der Schulmedizin zu den hoffnungslosen Fällen zählen: Erfolge bei Migräne; Asthma; unerklärliches Zurückhalten der Flüssigkeiten; Fettleibigkeit, die durch Verlangen nach allergischen Nahrungsmitteln hervorgerufen wird; Mundgeschwüre; nervöser Magen; Reizdarm; Dickdarmallergie; Dickdarmentzündungen; Morbus Crohn; Allergien der Nase, der Nebenhöhlen, der Ohren, der Atemwege, der Haut; wiederholte Infektionen der Nebenhöhlen, der Ohren, der Atemwege; Gehirn-Allergien; Hyperaktivität; Lernschwierigkeiten/Verhaltensauffälligkeiten; Hefepilzinfektionen; Arthritis; Muskel- und Gelenkschmerzen; prämenstruales Syndrom; Menstruationsschmerzen; Endometriose; Brustschmerzen; Herpes I & II; Gürtelrose; Schnupfen; Pfeiffersches-Drüsenfieber; E-B Virusinfektionen (Miller 1977) [i].
Diese Therapieform ist der erste große Schritt in Richtung der Entwicklung therapeutischer Konzepte. Im großen Standardwerk zu den Nahrungsmittelallergien von Brostoff & Chalacomb, erweist sich, dass die Millertherapie die einzige vollgültige Therapie für Nahrungsmittelallergie überhaupt ist (Brostoff & Chalacomb 1987).
Nun hatte man ein Instrument und es war möglich die neurologischen und psychologischen Folgen von Allergien zu untersuchen. Es waren ab der 80er Jahre Psychiater, die die Millermethode anwandten und weiter erforschten: die Psychologieprofessorin Iris Bell, der Psychiater Macherness# und vor allem die Kinderpsychiaterin Doris Rapp (Bell 1983, Mackerness# 198#, Rapp ##). Diese Umweltmedizin zeigt Heilerfolge bei als psychiatrisch nichttherapierbar eingestuften Fällen (Zur Praxis-Seite der P/N-Therapie: Rapp ##, Runow ##).
Der Bezug zu „Umwelt“ ist mannigfaltig. Randolf entdeckte MCS ursprünglich, als er Testsubstanzen aus wild gewachsenen Früchten und konventionellen Früchten verwandte. Die MCS-Patienten reagierten bei den Substraten der wild gewachsenen Früchte nicht. 1966 hat die Neurologin Muriel Kailin gezeigt, dass man bei manchen Menschen Reaktionen auf DDT deutlich unterhalb der Durchschnittsbelastung nachweisen kann. Sie hat nur eine Flasche mit DDT auf dem Tisch geöffnet und Minuten später die Reaktion der peripheren Nerven elektrophysikalisch nachgewiesen – doppelblind selbstverständlich.
Prof. Müller-Mohnssen hat mir einmal gesagt, die beste Informationsquelle für den Arzt sei der Patient, ob er an einer bekannten oder einer neuen Krankheit leidet. Wie soll auch Medizin anders gehen? So hat sich schon Hippokrates verhalten und ebenso der Begründer der Umweltmedizin, Theron D. Randolph. Letzterer hat unermüdlich Anamnesen durchgeführt, Tests gemacht, die Patienten erneut befragt usw. usf. Der Unterschied der Allergietestergebnisse bei ungespritztem Obst war der Einstieg zur Umweltmedizin überhaupt: es folgten die Aufdeckungen der Gesundheitsschäden durch Lebensmittelfarben, Soft-Plastik, Garage im Haus oder Industrieabgasen in der unmittelbaren Nahbarschaft. Dies alles aus Patientenangaben. Er hat auf diesem Gebiet so große Erfahrungen gesammelt, dass er 1962 auf einer Umweltkonferenz, zu der John F. Kennedy eingeladen hatte, prognostizierte, dass die Innenräume 8-mal giftiger seien als die Außenluft. Mehr als 20 Jahre später konnte die analytische Chemie dies verifizieren. Ein erstes Buch erschien 1962 (Randolph 1962). Es waren die Erfahrungen beim Menschen, die bereits in den 50er Jahren und den frühen 60er Jahren die Erkenntnisse erbrachten, die dann in den 80er erstmals chemisch verifiziert wurden. Der Mensch kann präzise wie ein Detektor über die Umwelt Auskunft geben. Das ist der Grund, warum diese Quelle, die Urquelle der Umweltmedizin erst als „bloß subjektiv“ abgewertet und als Spinnerei vernichtet wird.
Historisch trifft der zunehmende Mangel an essentiellen Stoffen in unserer Nahrung auf die erhöhte Nachfrage/Bedarf des Stoffwechselgeschehens an gerade diesen Stoffen durch die Entgiftung exogener Stoffe. Zusätzlich steigt der Gehalt ubiquitärer Gifte und der „Pflanzenschutz“-Mittel. Sheryl Rogers (Rogers 19##) hat in ihrer Schrift “The Scientific Basis of Environmental Medicine” den wissenschaftlichen Gehalt der verbesserten und differenzierten Allergietests und der biochemischen Unterernährung der Menschen in den Industrieländern im Zusammenhang dargestellt.
Eine erkleckliche Anzahl essentieller Stoffe sind Co-Faktoren der Entgiftung. Unsere Joule orientierte Ernährungsweise bzw. Nahrungsaufbereitung ist Mangelernährung. Diese verstärkt die Überlastung des Detox-Systems und führt zu Irritationen des Immunsystems. Allergie ist die klassische Reaktion eines überforderten Immunsystems auf die Umwelt: „Allergie ist, wenn das Immunsystem Fehler macht“ (Prof. Ring#, München).
Der Darm hat eine größere Kontaktfläche zur Umwelt als die Lunge (600 m² gegenüber 140 m²). Bei allergischen Reaktionen im Darm, wird dieser undicht – Leaky Gut Syndrom – mit der Folge weiterer endogener Vergiftungen und es leidet die Produktion physiologisch wichtiger Stoffe. So wird etwa die Serotoninproduktion bis gegen Null reduziert. Völlige Antriebslosigkeit kann sich demzufolge aus der Nahrungsmittelallergie direkt herleiten lassen, denn über 70% des Serotonin wird im Darm erzeugt: hohe Histaminwerte, niedrige Serotoninwerte, extreme Müdigkeit.
In den 80er-Jahren rückte die systemische Entzündung in den Fokus. Insbesondere mit einer charakteristischen Reaktion des Immunsystems auf den ‚oxidativen Stress’ (Livine ##). Reaktive oxidative Stoffe (ROS) sind u. a. ein Mittel der Immunabwehr zu Zerstörung von Eindringlingen. Es wird mit Sauerstoffradikalen geschossen. ROS werden aber auch bei der Metabolisierung von Giften benötigt (Cytochromsystem, Phase I der Entgiftung). Viele Schadstoffe sind deshalb Erzeuger von oxidativem Stress. Die ROS sind der direkte biochemische Zusammenhang von Schadstoffbelastung und überschießender Immunreaktion. Da die Schadstoffbelastung permanent ist und sich in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg gesteigert hat, macht der oxidative Stress die chronische Pathologie erkennbar.
Dies umso mehr als die ROS auch die biochemische „Verbrennung“ von Zuckern, Stärke und Fetten am Ende der Atmungskette in den Mitochondrien kontrollieren. Sie bilden also auch den Zusammenhang mit der Mitochondriopathie. Die Mechanismen werden unter „Biochemie und Labor“ ausführlicher behandelt (q#).
Der Zusammenhang von oxidativem Stress und Erschöpfung des Organismus‘ ist seit den 70er Jahren gut bekannt. Der therapeutische Einsatz von Antioxidantien gegen Erschöpfung wurde ausführlich von Livine beschrieben (Livine 198##). Mitchel – Nobelpreis 1975 – gilt als Begründer der Mitochondrialmedizin. Rea unterscheidet Immunmechanismen und Nichtimmun-Mechanismen für die Entwicklung von MCS (Chemical Sensitivity, Band I). Er entwickelte in den 80er-Jahren seine Immuntherapien gegen MCS (Therapie mittels ALF, s. u.).
Ausgangspunkt war die Therapie mit sog. Transferfaktoren (TF). Extrakte aus den Leukozyten gesunder Menschen werden erfolgreich bei Therapien vieler Krankheiten verwendet. TF moduliert vor allem die zellulären Immunantworten und zwar sowohl die spezifischen (Allergien Typ IV) als auch die unspezifischen (dazu zählt MCS). Klinische Studien zeigten Vermehrung der T-Zellen und Verbesserung etlicher Parameter, etwa Serotonin, Schildrüsenhormone, ## (Youdim et al 1989, vgl. auch Brostoff und Chalacomb 1987, S: ##). Die Weiterentwicklung heißt ALF (Autonomer Lymphotischer Faktor). Er basiert auf einer Vermehrung körpereigener Proteine des Patienten in vitro. Diese werden zuerst aus dem Blut extrahiert, in vitro vermehrt und wieder injiziert. Es ist eine individuelle Therapie, gemäß dem individuellen Zustand des Immunsystems des Patienten (Rea 1997, S. ##).
Der Stand der Umweltmedizin Ende der 80er Jahre kann demzufolge so beschrieben werden: MSE-Erkrankungen sind Reaktionen auf den Overload, bei dem die chemische Seite eine Hauptrolle spielt. Zur Besserung der körperlichen Zustandes ist es erforderlich, Entgiftung durchzuführen, strenge Karenz gegenüber den auslösenden Stoffen zu üben und durch Diäten und Hyposensiblisierungen den parallel entstandenen Allergien zu begegnen, die Nahrungsmängel auszugleichen und insbesondere die entzündlichen Prozesse im Organismus durch antientzündliche Maßnahmen zu dämpfen (etwa durch Antioxidantien).
Dieser Parforce-Ritt durch die ersten 4 Jahrzehnte der Entwicklung der Umweltmedizin soll zeigen, welche Wurzeln sie hat, und dass ihre Erkenntnisse immer wieder zugeschüttet wurden, so wie in den Einerjahren des 21. Jahrhunderts. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die B-Umweltmedizin, mit welchem Schaum vor dem Mund diese die Millertherapie bekämpften, meist geht es unter „irrational“ nicht ab (Eis 1999, ## dieser Wiener Idiot##). Beide konnten nicht einmal das Miller-Verfahren richtig beschreiben. Wer keine Argumente hat, flüchtet sich nach oben: „irrational“. Dieser Parforceritt zeigt die Abgründe einer solchen „Kritik“.
[i] Liste der Doppelblindversuche zur P/N-Therapie nach Miller:
Brostoff, J.,
A double-blind crossover placebo-controlled study of neutralization, presented to the 20th Advance Seminar of the American Academy of Environmental Medicine, Clearwater, Florida, October 27, 1986
Egger, J., Wilson, J., Carter, C.M., Turner, M.W., Soothill, J.F.,
Is migraine food allergy? A double-blind controlled trial of oligoantigenic diet treatment, in: Lancet 2, S. 865, 1983
Endicott, J.N., Stucker, F.J.,
Allergy in Meniere's disease related to fluctuating hearing loss. Preliminary findings in a double-blind crossover clinical study, in: Laryngoscope 87, S. 1650, 1977
Giovane, A. et al,
A three-year double-blind placebo-controlled study with specific oral immunotherapy to Dermataphagoides: evidence of safety and efficacy in paediatric patients, in: Clin and Exper Allergy, 74, S. 53-59, 1994
Harley, J.P., Matthews, C.G., Eichman, P.,
Synthetic food colors and hyperactivity in children: a double-blind challenge experiment, in: Pediatrics, 62, S. 975-983, 1978
Hoj, L., Osterballe, O. Bundgaard, B., Weeke, B., Weiss, M.,
A double-blind controlled trial of elemental diet in severe perennial asthma, in: Allergy 36, S. 257, 1981
Kailin, E.W., Brooks, C. R. ,
Systemic Toxic Reactions to Soft Plastic Food Containers, in: Medical Annals of the Distict of Columbia, Vol. XXXII, NO.. 1, January, 1963
Kailin, E.W., Hastings, A.,
Cerebral Disturbances from Small Amounts of DDT, in: Medical Annals of the District of Columbia, Vol. 35, NO.. 10, S. 519 - 524, October, 1966
King, D.S.,
Can allergic exposure provoke psychological symptoms? A double-blind test., in: Biol Psychiat. 16, S. 3-19, 1981
Mandell, M., Conte, A.,
The role of allergy in arthritis, rheumatism, and associated polysymptomatic cerebro-viscero-somatic disorders: A double-blind provocation test study, in: Annals of Allergy Vol. 44, S. 51, 1980
Mandell, M., Conte, A.,
A role of allergy in arthritis, rheumatism and polysymptomatic cerebral, visceral and somatic disorders: a double-blind study, in: J internat Acad Prevent Med Vol. 7, S. 5-16, 1982
Miller, J.B.,
A double-blind study of food extract injection therapy: a preliminary report, in: Ann Allergy 38, S. 185-191, 1977
Miller, J.B.,
Double-Blind Studies in Migraine, in: Miller, J.B., Relief at last, S. 85-94, 1987
O'Shea, J.A., et al,
Double-blind study of children with hyperkinetic syndrome treated with multi-allergen disabilities, in: J Learning Disabil 14 (4), S. 189-192, 1981
Rapp, D.J.,
Double-blind confirmation and treatment of milk sensivity, in: Med J Aust. 1, S. 571-572, 1978
Rea, W.J., Ross, G.H., Johnson, A.R., Smiley, R.3., Sprague, D.E., FEnyves, E.J., Samadi, N.,
Confirmation of Chemical Sensitivity by Means of Double-Blind Inhalant Challenge of Toxic Volatile Chemicals, in: Clinical Ecology, Vol. V, NO.. 3, S. 113 - 117, 1987/88
Rogers, S.A.,
Provocation-Neutralization of Cough and Wheezing in a Horse (double-blind study), in: Clinical Ecology 5,4, S. 185-187, 1987/1988
Van Niekerk C.H., DeWet, J.I.,
Efficacy of grass-maize pollen oral immunotherapy in patients with seasonal hay fever: a double-blind study, in: Clin Allergy 17, S. 507-513, 1987