Pathomechanismen
Die Rolle der systemischen Entzündungen
In der Auflistung der Umweltkrankheiten (s. o. Fehler! Textmarke nicht definiert.#) erschien die systemische Entzündung an letzter Stelle *. Sie sollte aber eigentlich an erster Stelle stehen, denn der Stand des wissenschaftlichen Diskurses zeigt, dass entzündliche Prozesse bei den MSE immer eine entscheidende Rolle spielen.
Die Neurochemie nennt systemische Entzündungen als grundlegende Ursache von Nervenschäden (Shytle 2004). MCS wird sowohl von Rea, als auch von Ashford und Miller (TILT) als ein Zusammenbruch der Abwehr nach langem Abwehrkampf interpretiert, nach sog. Latenz- oder Triggerphase (Rea 1992, S. ##; Ashford und Miller 1998, S. ##, Vertiefung des Verlaufs s. u. „Der Phasenweise Verlauf, q#). Für CFS werden Immunreaktionen in den Diagnosekriterien genannt. Sie können verschiedener Ursache sein: Infekt, Allergie, Stress oder Toxine. All’ dies kann als Agens der Störung der Energieversorgung der Zelle, als Mitochondriopatie, zur Erkrankung führen. Dass der Immunsuppressor Cortisol die Symptome aufheben kann, stützt die klinische Relevanz dieser Erklärung der Mitochondriopathie (##).
Eine systemische Inflammation ist anders als eine lokale. Sie ist nicht – oder nur selten - mit Schmerzen verbunden. Vielleicht ist FM eine solche Ausnahme oder diverse Beschwerden eines Reizdarmes. Sie ist klinisch nicht definiert und nicht definierbar (Harrison ##), außer man akzeptiert Schwäche als eine solche. Sie kann etwa mit Hyper- wie Hypothermie, Hyper- wie Hypotonie verbunden sein. Sie ist nur über die entsprechenden Muster von Immunparametern diagnostizierbar: erhöhte Aktivität inflammatorischer Komponenten sind oft verbunden mit entsprechender Verminderung der anti-inflammatorischen Anzeiger.
Tabelle II, 1:Parameter systemischer Entzündung
Neurophile + Makrophagen |
Entzündungszellen (Lokal) |
NF-κB |
Setzt die Inflammationsparameter der nächsten Zeile frei |
Interleukin-1, -6, -8, -12 + TNF-α, INF-γ |
Steuerung von Entzündungsprozessen |
Interleukin-2 |
Bildung durch aktivierte T-4-Zellen |
T-Zellen CD4 |
Aktivieren Immunsystem |
T-Zellen CD8 |
Immunsuppressorzellen |
Interleukin-10 |
Steuert Immunsuppression |
Eosinophile, TH1 |
Infamm. Zellen bei Allergien |
C4a, C3a, C5a |
Komplemente entzündl. in aufsteigender Stärke |
Monozellen |
System. aktiv u.a. bei Autoimmunreaktionen |
Peroxide |
Maß für oxidativen Stress |
Die Tabelle zeigt, dass der inflammatorische Apparat stärker bestückt ist als die Komponenten der Gegenregulierung (Immunsuppression). Therapie ist weitgehend Entzündungshemmung und Antiinflammation.
Die eine klinische Komponente Schwäche führt zurück zu den Anfängen 1930: Schwäche bis hin zur Ohnmacht ist eine charakteristische Manifestation maskierter Nahrungsmittelallergien (Rinkel 1930, ##).
ROS – Reactive Oxigen Species
Der inflammatorische Prozess führt u. a. zu vermehrter Freisetzung von Oxidantien (ROS). ROS sind Sauerstoffzustände d. h. Sauerstoff in unterschiedlichen Elektronenkonfigurationen, die in der Biochemie eine kontrollierte Oxidation der Knallgasreaktion zu biochemischer Energie ermöglichen. Sie wird auch als Verbrennung bezeichnet. Im Wesentlichen ist die Verbrennung von Energieträgern am Ende der Atmungskette zur Bereitstellung von Energie für die Zelle in Form von ATP, FADH und NADH. Sie werden auch zur Immunabwehr eingesetzt („Verbrennung“ von „Feinden“).
Oxidativer Stress ist dann ein Überhang dieser reaktiven und aggressiven Stoffe. Bei den ROS handelt es sich um den wohl wichtigsten Overload. Als einer der Schlüssel für die Frage nach den Mechanismen der Chronifizierung ist seine Bedeutung seit Ende der 90er Jahre noch gewachsen (Litarru 1994).
Es handelt sich um folgende Stoffe: O2 (Tripletsauerstoff, ein Diradikal), 1O2 (Singlettsauerstoff), O2.- (Sauerstoffsuperoxid), H2O2 (Wasserstoffperoxid), OH.- (Hydroxylradikal). &&Oxidantien sind demnach nicht durchweg Radikale (in den chemischen Formeln haben die Radikale einen hochgestellten Punkt). Und nicht alle Spezies sind starke Oxidationsmittel (Littarru 1994). Diese Stoffe / Moleküle können vielmehr allen Situationen gerecht werden, bei denen im Körper kontrolliert Oxidation – also Verbrennung – notwendig wird.
Sie treten aber bei Überlastung vermehrt auf, schädigen Gewebe und können zur chronischen Mitochondriopathie führen. Sauerstoff ist bei der Energieerzeugung der limitierende Faktor, nicht der „Treibstoff“. Wahrscheinlich ist deshalb seine pathologische Fehl-Metabolisierung auch so prägend. Unsere Vitalität ist von der Sauerstoffverarbeitung im Organismus abhängig. Diese findet in jeder Zelle statt und zwar in den Mitochondrien, die im Cytosol schwimmen. Durch eine Doppelmembran abgetrennte Bereiche, die nur Energie bereitstellen für die anderen Funktionen der Zelle. In ihnen findet sich der Endpunkt der Atmungskette und Glukose und Fettsäuren werden zu den biochemischen Energieformen ATP, NADH und FADH „verbrannt“:
Der Treibstoff Glukose wird durch Glykolyse in Pyruvat verwandelt, dieser Stoff überwindet die beiden Membranen der Mitochondrien, wird durch Actyl-Coenzym A acetyliert und anschließend durch den Citratzyklus abgebaut. Fettsäuren benötigen Carnitin, um die Membranen zu überwinden, werden acetyliert und dann mittels des b-Abbaus – immer 2 Kohlenstoffeinheiten - aufgebraucht. Beide Prozesse liefern NADH und FADH, beides Wasserstoffspender, welcher über Q10 durch die ATP-Synthesase zu ATP „verbrannt“ wird. ATP – Adenosintriphosphat - ist die höchste Energie-Stufe (aufgeladene Batterie). Es gibt seine Energie durch Phosphatabspaltung zu ADP ab (D = di) und weiter zum AMP (M = mono). Dann wird es wieder zum ATP aufgeladen – das ist ein Akku. Die „Verbrennung“ ist eigentlich im Kern die Knallgasreaktion H2 + ½ O2 = H2O.
Die Natur kann eine gefährliche chemische Reaktion kontrollieren. Es entsteht aber in einer Nebenreaktion auch Superoxid O2.- das hochreaktive ROS. Schadstoffbelastung stört und bringt die ROS-Verteilung aus dem Gleichgewicht. Für das Abfangen von Radikalen ist die Superoxidismutase (SOD) zuständig. Sie hinterlässt H2O2 als Produkt. Letzteres kann, wenn es weiter reduziert wird oder, anders ausgedrückt, einen Elektronenspender findet, in OH- und OH.- zerfallen. Letzteres ist wohl die aggressivste Substanz innerhalb der ROS. Ein Überschuss bedeutet somit keine Erhöhung der Vitalität Schädigung von Zellen und Gewebe.
Oxidantien werden vom Immunsystem zur Abwehr eingesetzt. Von Fresszellen (Phagozyten) und Neutrophilen, die meist auch Entzündungszellen sind, werden Oxidantien zur Zerstörung von Bakterien eingesetzt. Besonders die aggressiven ROS O2.-, H2O2, OH.- werden auf die Eindringlinge „abgeschossen“. Ein Überschuss davon schädigt – etwa als Kollateralschaden – das umgebende Gewebe. Bei chronischen Erkrankungen hören die „Radikalkanonen“ nicht auf zu schießen, auch wenn der Feind (Bakterium, etwa Borreliose) besiegt, der Stress abgebaut oder die interne Exposition den Körper schon wieder verlassen hat. Kommt dies oft vor oder gar permanent, ist der erste Schritt zur Chronifizierung getan durch einen ROS-Overload. Dies ist auch die zentrale Begründung für die Forderung, dass die Toxikologie eine Additionsweise entwickelt muss, um Mischintoxikationen realistischer einschätzen zu können. Es ist zudem auch der erste Ansatz zum Verständnis, warum so viele Toxine mit so unterschiedlichen Primärreaktionen in vivo dann nur wenige unterscheidbare klinische Bilder erzeugen. Die erste Runde gewinnt das Detox-System, erst a la longue wird der Organismus mürbe und entwickelt peu a peu Dysfunktionen.
ROS werden in Phase I des Entgiftungssystems eingesetzt und zwar dort, wo über Oxidasen und Hydroxylasen, hydrophobe Fremdstoffe – etwa Kohlenwasserstoffe - hydrophiler – also durch Einbau von Sauerstoffe polarer - gemacht werden, um sie dem Ausleitungssystem (Phase II) zugänglich machen zu können. ##
ROS-Überschüsse entstehen demzufolge vermehrt, wenn die zelluläre Energieversorgung stark beansprucht wird (Stress), bei langanhaltenden Infekten, allergischen Reaktionen und bei Beanspruchung des Entgiftungssystems. Permanenter ROS-Überschuss ist oxidativer Stress. Diese ROS-Ursachen stimmen exakt mit dem überein, was bisher über die möglichen Ursachen von CFS publiziert wurde (vgl. Diagramm unter „Mitochondriopathie“ aus Pall 1999#).
Um über spezifische ROS-Quellen – wie div. Schwermetalle und Kohlenwasserstoffe- zu befinden muss man wissen, dass Radikale dazu neigen, eine Kettenreaktion auszulösen. Ein Radikal ist sehr reaktionsfähig und produziert wieder ein Radikal. Ein Abbruch dieser Abfolge kann nur dadurch entstehen, dass zwei Radikale aufeinandertreffen. Oxidation ist immer Elektronenentzug. Soweit nur ein Elektron entzogen wird, entsteht ein Radikal. Elektronendonatoren sind – ebenfalls - potentielle Radikalbildner. Dies gilt etwa für alle Übergangsmetalle (Schwermetalle) in niedriger Oxidationsstufe, z. B. Fe2+, Cu+ etc. (Littarru 1994, S. 33) oder C-Atome in Kohlenwasserstoffen, die keine stark elektronegativen Nachbarn haben. Und schließlich geht erhöhter intrazellulären Ca2+ mit ROS-Überschuss einher (Littarru 1994, S. 31).
Oxidativer Stress entsteht aus den skizzierten Gründen durch Überlastung, also durch Stress allgemein, bei Infekten und Schadstoffbelastung. Diese Effekte addieren sich und / oder verstärken sich gegenseitig. Wir wissen – noch – nicht wie eine solche Verstärkung zu rechnen ist, d. h. wir wissen nicht wie addiert werden muss. Es werden dafür Gewichtungsfaktoren existieren, die allerdings nur mit großem Aufwand abgeschätzt werden können (vgl. u. Toxikologie, q#), denn die Kombinatorik rechnet mit der Fakultätsfunktion, eine Funktion, die mit der Anzahl der Einflussgrößen schneller wächst als die Exponentialfunktion. Es kann also nicht die Frage sein, ob Synergismen vorkommen, sondern nur wie groß er ist.
Bei ROS-Overload entstehen folgende Schäden im Organismus:
- Störung der Atmungskette -> Mitochondriopathie; Grundschädigung der Energieversorgung der Zelle
- ROS sind Verstärker der immunologischen Sensibilisierung (etwa in Zusammenhang mit Phagozytenaktivierung (littarru 1994, S. 32).
- Lipidperoxidation führt zu Membranschädigung: alle Membranfunktionen werden gestört, wie z. B. die elektrophysiologischen Potentiale der Nervenleitung, die Ionenkanäle. Die Kontrolle der Schadstoffsperre für das Zytosol wird geschwächt, d. h. die Wirkstärke vieler Schadstoffe wird erhöht (Littarru 1994, S. 37 u. S. 40).
- Störung des Proteinstoffwechsels (Littaru 1994, S. 37ff)
- Ganz allgemein erfolgt eine Erhöhung der Permeabilität (Durchlässigkeit) von Haut, Atemtrakt- und Darm-Schleimhäuten (vgl. dazu Leaky-Gut-Syndrom). Dies kann die Sensibilisierung als Selbstläufer verstärken.
Obige fünf Spielstriche sind eine Auswahl der wichtigsten – grundlegendsten – Schäden des Organismus. Sie betreffen die Vitalität und Lebensfähigkeit im Kern, weil sie alle Steuermechanismen des Organismus beschädigen: Nerven- und Immunsystem, Energieversorgung der Zellen und das Endokrinum. Die Klinik ergibt sich aus der Grundkonstitution der Gene und deren Kompatibilität mit der Umwelt. Kennt man eine kleine Anzahl herausragender Expositionen, lassen sich daraus noch keine Beschwerdebilder ableiten.
Mitochondriopathie
Systemische Entzündung und ROS-Overload führen zu einer Mitochondriopathie. Sie erklärt CFS, denn sie ist die biochemische Erklärung für eine Energieunterversorgung der Zelle und sie chronifiziert vom burn-out zur chronischen Erschöpfung. Die Mitochondrien sind Miniaturzellen innerhalb jeder Zelle (im Zytosol), abgeteilt durch eine Doppelmembran mit eigener DNA. Sie sind die Energielieferanten jeder Zelle.
In seinen ersten Veröffentlichungen nannte Pall es einen feedforeward-cycle (Pall 2000). So schwer das Wort zu übersetzen ist (feedforeward ist das Gegenteil von feedback Vorschlag: Selbstläufer), markiert es doch sehr gut die Tatsache, dass die pathologischen Reaktionsfolgen erhalten bleiben, gewissermaßen installiert werden, - wie etwa auch der Golfstrom irgendwann entstanden ist und nun läuft und läuft und ….,- auch wenn der äußere Grund wegfällt. Die Grafik zeigt, wie sich aus unterschiedlichen Ursachen eine Mitochondriopathie zum Selbstläufer entwickelt (Pall 1998## - Erstpublikation, Grafik aus Pall 2000): Es finden sich alle biochemischen Mechanismen wieder, die schon bei der ROS-Biochemie dargestellt wurden.
Es sind eigentlich drei Kreisläufe: ein innerer, der angestoßen wird durch eine direkte ATP-Erniedrigung durch Entzündungsmediatoren mit der Folge der Erhöhung des intrazellularen Ca2+ (Calcium im Cytosol) und der ROS. Aus der Ca2+-Erhöhung folgt
eine Glutamat-Ausschüttung mit der Folge einer Erhöhung der Erzeugung des NO.-Radikals (NO. = Stickstoffoxid), welches wiederum die ROS erhöht. Schließlich wird in einem äußeren Kreislauf der Na-Gradient erniedrigt, der zusammen mit dem erhöhten Ca2+ neuronale Hyperaktivität hervorruft.
Dieser von Pall entdeckte Mechanismus ist grundlegend. Er spielt bei chronischen Vergiftungen immer eine Rolle. Systemische Entzündung ist immer mit Schwäche verbunden. Jeder Mensch kennt dies bei einer Grippe. Die Genbestückung regelt nun das weitere: Nervenschäden oder Überempfindlichkeit. Die Nervenzellen sind der größte Energieverbraucher unter den Zellen. So ist CFS stets mit der TE verknüpft (nach Singer in der 4. Und 5. Entwicklungsstufe, vgl. o. q#).
Glukosestoffwechsel
Was unter „mitochondrial Malfunktion“ zu verstehen ist, sei kurz skizziert: NO. blockiert die Fe-Enzyme des Cytochrom (Oxidasen), insbesondere diejenige Oxidase, die die abschließende Oxidation der Atmungskette durchführt. Paradoxerweise blockiert so oxidativer Stress die oxidative ATP-Produktion. Die Redundanz, die anaerobe Glykolyse ist wesentlich schwächer, nur 1/16 der oxidativen Energiebereitstellung. Folge ist, dass Kohlehydrate die Pathologie verstärken. Essen kann zu starker Müdigkeit führen. Fitnesstranig wirkt kontraindiziert. Begleiterscheinungen sind Gewichtszunahme, Hypertonie, erhöhter LDL-Cholesterinspiegel, auch die Entwicklung von Diabetes Mellitus können die Folge sein (Kersten 200#, Kuklinski ##).
An dieser Stelle soll noch die Laktat-Adsidose erwähnt werden. In der Zelle wird das Laktat/Pyruvat-Verhältnis bis über einen Faktor 10 erhöht. Dies Missverhältnis und die intrazelluläre Versauerung können zu Schmerzen und Krämpfen führen (Kuklinski ##).
Labornachweis
Der Nachweis im Einzelfall ist recht einfach: NO. in der Ausatemluft oder – indirekt - Nachweis von Nitrotyrosin im Blut (krikmann##). Das ist die Objektivierung von CFS. Die Höhe der NO.-Emission lässt den Schwergrad zuverlässig abschätzen. Es kann noch ergänzt werden durch das „Energieprofil“ von gsdl (gsdl 1994). Dieses Energieprofil zeigt die Substarte des Citratzyklus, die dann alle vermindert sind, so dass man sehr plastisch nachvollziehen kann, dass der Energiezyklus des Glukoseabbaus vollständig heruntergefahren ist. Die Beschädigung des Glukosestoffwechsels ist demnach en Detail bei jedem Individuum nachvollziehbar.
Die Tyrosinnitrierung gibt auch einen Ausblick in die nervenschädigende Begleitwirkung. Nitotyrosin beeinträchtigt den Katecholaminmetabolismus (Erzeugung von Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin) (&&##). Hier greift der Pathomechanismus direkt in das Endokrinum ein mit Folgen für das autonome und das periphere Nervensystem.
Die Folgen gehen folglich über Leistungsminderung hinaus: neuronale Hyperaktivität Ca-Parkinson##, MS## und TE (vgl. u.)
Chronifizierung
Die viel wichtigere Konsequenz aus der ROS-Biochemie, weiterentwickelt zur Aufklärung der Mitochondriopathie, ist die Klärung der Chronifizierung. Der Pathomechanismus bleibt stabil, auch wenn die Auslöserfaktoren den Organismus längst verlassen haben. Deshalb gehe auch jede Versuche des Biomonitorings und Effektmonitorings (Biomarker) fehl.
Ein wichtiger Erkenntnisschritt der ist, dass aus NO. ONOO- (Peroxynitrit) entsteht, ein aggressives ROS. Dies erzeugt Superoxid und weiteren oxidativen Stress. Oxidativer Stress, ONOO- und Ca2+ regen zusammen den NF-κB an, die wichtigste Größe bei der Steuerung von Entzündungen. Der NF-κB steuert die Ausschüttung all’ der Steuerungsgrößen, die eine systemische Entzündung in Gang setzen: Il-1β, Il-6, Il-8, TNF-α und IFNγ (vgl. o. „Systemische Entzündungen“, Tabelle II,1#). Das Peroxidnitrit (ONOO-) – es entsteht aus NO. und H2O2 - blockiert die FeS-Enzyme. Dies stört den Citratzyklus. Zum Zweiten wird die mitochondriale Elektronentransportkette der Doppelmembran gestört. Der Level der wichtigsten Substanz für Elektronenbereitstellung NAD/NADH wird massiv gesenkt. Für die Energiebereitstellung wird biochemisch nicht nur ATP, sondern auch Elektronenlieferanten wie NADH gebraucht.
Der Mechanismus erzeugt demnach nicht nur die ROS und den oxidativen Stress selbst
sondern stellt auch die ursprünglich auslösende systemische Entzündung auf Dauer.
Für die chronische Stabilität ist aber entscheidend, dass vier weitere Mechanismen in Gang gesetzt werden, die das verbrauchte NO. wieder erzeugen: Ca2+ + ONOO- induzieren die Enzyme nNO.S, und eNO.S (neuronale und endothele NO.-Synthesasen), der NF-κB induziert die iNO.S (i = induzierbar). NO.-Erhöhung wird zusätzlich von zwei Rezeptoren in Gang gesetzt: dem Vanilloid-Rezeptor und dem NMDA-Rezeptor (s. u.). Ersterer wird durch oxidativen Stress und letzterer durch den Vanilloid-Rezeptor aktiviert.
Jeder Pfeil der Grafik stellt nicht nur eine Publikation dar – so beginnt die theoretische Forschung -, sondern von der Wissenschaft allgemein akzeptierte Zusammenhänge (Pall 2009, S. 14). Dies festzustellen ist die Aufgabe von Pall als Research Director der Tenth Paradigm Research Group der Washington State University. Es handelt sich um „klassische Inflammationsbiochemie“ (a. a. O.).
Zusätzlich gibt es noch einen internen Kreislauf, der diesen pathologischen Prozess weiter stabilisiert.
Peroxinitrit (PRN) oxidiert BH4 (Tetrahydrobiopterin) einen Kofaktor der NO.-Synthesasen. Die BH4-Reduktion verändert deren Aktivitäten so, dass weniger NO., mehr Superoxid und damit mehr ONOO- gebildet wird, kurz ONOO- ↑ ↔ BH4↓
Letztlich wird dadurch das Verhältnis von NO. und ONOO- verschoben und der Pathomechanismus verstärkt.
Dass sich von diesen Verschiebungen der Metabolismen noch andere biochemische Folgen ableiten lassen, wurde bereits unter „Mitochondriopathie“ skizziert. Dies ist eine Seite, die die individuelle Variabilität der Krankheitsbilder erklärt. Kuklinski nennt 30 Krankheitsbilder in Verbindung mit der Mitochondriopathie (Kuklinski ##, liste: &&).
Pall stellt fest, dass alle im Diagramm gezeigten biochemischen Agenzien letztlich in der Lage sind, den Pathomechanismus in Gang zu setzen. Er stellt weiter fest, dass die wesentlichen Agenzien, Superoxid, NO. und ONOO- wegen ihrer Reaktivität eine geringe Halbwertszeit haben und deshalb lokal fixiert sind. Das ist die zweite Seite der Variabilität, der gleiche Grundmechanismus kann in verschiedenen Geweben auftreten. Pall nennt folgende Krankheiten: CFS, FM, MCS, posttraumatische Belastungsstörungen und Hyperreagibles Bronchialsyndrom## in der Hauptsache. Des Weiteren nennt er: Tinnitus, M. Alzheimer, Parkinson-Syndrom, amyothrophe Lateralsklerose (Pall 2007).
Damit kann abschließend gesagt werden, dass wir die wichtigsten Pathomechanismen der wichtigsten chronischen Erkrankungen kennen. Die Chronifizierung lässt sich durch die Selbstläufer ROS-Mitochondriopathie und systemische Entzündung verstehen. Die Rätsel der Beschwerdebilder bei chronischen Vergiftungen sind gelöst.
Die gilt auch für die unspezifische Sensibilisierung (MCS, HRB).
Viele Gifte aktivieren den NMDA-Rezeptor
Ein Hauptargument gegen MCS hat sich lange gehalten: es könne nicht sein, dass so viele Giftstoffe mit so extrem unterschiedlichen Primärmechanismen MCS erzeugen könnten. Es wurde bereits gezeigt, dass dies bei CFS grundsätzlich der Fall ist. Für MCS gibt es noch einen Parameter, der auch dieses „Rätsel“ löst, den NMDA-Rezeptor, der spezifische Rezeptor für die Aminosäure N-Methyl-D-Aspartat. Er wird von Glutamat aktiviert, welches Laborchemisch gut zugänglich ist.
Folgende Substanzgruppen bewirken eine Aktivierung des NMDA-Rezeptors: Organophosphate (OP), Carbamate, die chlorierten Pestizide Chlordan, Lindan, Dieltrin und Altrin, Pyrethroide (##beide## Arten), Lösemittel (VOC), Kohlenmonoxid (CO), Schwefelwasserstoff (H2S) und Quecksilber (Hg). Als Naturstoff gehören die Mykotoxine in diese Gruppe. Die biochemischen Wege, die zum Focus auf den NMDA-Rezeptor führen, sind vollständig aufgeklärt – well established (Pall 2009#):
- OP/Carb. blockieren die Acetylcholinesterase (AChe). Das führt zu erhöhter Acetylcholinkonzentration. Das aktiviert den Muscarinrezeptor (auch Vaniloidrezeptor), was zu erhöhter Glutamatausschüttung führt.
- Die chlorierten Pestizide blockieren den GABA-Rezeptor (GABA = Gamma-Amino-Buttersäure). Der GABA-Rezeptor sorgt für die Ausschüttung von NDMA-Antagonisten, der Kontrolle beraubt erhöht sich seine Aktivität.
- Pyrethroide halten die Natrium-Kanäle der Zellmembran offen. Das stimuliert den NMDA direkt. Pyrethroide (II) blockieren zusätzlich den GABA-Rezeptor.
- Für die VOC gibt es komplexe Mechanismen mit verschiedenen Rezeptoren, die zur TRP-Klasse gehören (TRP = Transfer Rezeptor Potential). Zuerst gesichert wurde, dass TRPV1 (anderer Name Vanilloidrezeptor) durch VOC aktiviert wird. Er produziert Glutamat. Neuere Arbeiten zeigen, dass das TRPA1, TRPM8 und TRPV2, 3 ähnlich auf VOC reagieren. Auch sie führen zu Glutamatausschüttung.
- Für CO, H2S und Hg ist gesichert, dass sie den NMDA aktivieren und dass die Wirkung durch NMDA-Antagonisten gesichert ist.
Alle aufgeführten Substanzen und Substanzgruppen erzeugen also über die aufgezeigten biochemischen Mechanismen eine NO.-Erhöhung und tragen somit zum NO./ONOO-Zyklus bei. Dieser Mechanismus hat noch die Besonderheit: NMDA-Aktivierung ist für CFS und FM nicht erforderlich, aber für MCS (Pall 2009, S. 13). Wir haben demzufolge zusätzlich einen MCS-spezifischen biochemischen Parameter. Ein direkter Nachweis für den Zusammenhang mit MCS ist die Tatsache, dass MCS-Patienten hochsensitiv auf Glutamat und Capsaicin, der stärkste TRPV1-Aktivator (s. o. 4. Spiegelstrich), reagieren. Das sind Parameter, die MCS laborchemisch nachweisbar machen.
State of the Art
Alle hier beschrieben Reaktionswege sind wissenschaftlich gesichert, sodass das Gesamtbild auch als gesichert angesehen werden kann. Das ist die spezielle Arbeits- oder Forschungsweise der Research-Group um Pall: Man schaut immer nach Papers für die nächste und die übernächste Reaktionsbeziehung der Rezeptoren und Enzyme sowie der Cofaktoren und so weiter. Pall sortiert diese nach der Maßgabe inwieweit ein Zusammenhang „well establisht“ ist (Pall 2009). Die obigen fünf Spiegelstriche sind gesichertes Wissen.
Wir haben die wissenschaftliche Aufklärung und praktischen diagnostischen Zugang für die Routinediagnostik. Die Nichtanerkennung von MCS hat andere Gründe, nämlich Gesellschaftliche (dazu Teil III).
* Die Aufnahme in die Liste hatte ursprünglich auch den strategischen Gedanken, durch diese Diagnosestellung, den Psychiatrisierungsversuchen besser einen Riegel vorschieben zu können.