LÖSUNGSMITTEL (VOC)
Erkenntnisfortschritte
Seite den 70er Jahren sind die MAK- und TRK-Werte im Gebrauch.
MAK = maximale Arbeitskonzentration;
TRK = technische Richtkonzentrationen
Davon sind die MAK-Werte durch die Arbeitsmedizin humantoxikologisch begründet, die TRK-Werte dagegen nur technisch (sie bezeichnen, was technisch möglich ist und sollten nach dem Stand der Technik dynamisch sein).
Umfangreiche epidemiologische Studien in den 80er Jahren haben ergeben, dass Expositionen auf den Niveau der MAK krank machen.
In diesem Zusammenhang wurden von der WHO zwei Krankheitsbilder definiert: das Sick-Building-Syndrom (SBS) 1982 und die toxische Enzephalopathie (TE) 1985
SBS enthält eine Aufstellung verschiedenen Symptome mit dem Schwerpunkt Immun- und Nervensystem
TE ist in vier Schweregrade gegliedert.
Das Krankheitsbild besteht aus durchweg unspezifischen Symptomen, das Symptommuster ist aber trennscharf und erlaubt die Unterscheidung von anderen Enzephalopathien.
s. Definitionen
Frühsymptome der TE sind zunächst rein psychisch, dann folgen mentale Probleme, körperlich massive Störungen folgen erst an dritter Stelle. genaue Darstellung s. unter Download "Multifunktionsstörungen"
Auf der Basis der SBS-Definition wurden mehrere Studien mit Probanden durchgeführt. Wegweisend ist die Studie von Mølhave aus dem Jahr 1985. Er verwendete einen Standardmix aus 22 Stoffen, gemäß den häufigsten Vorkommen in dänischen Haushalten. Die Studie wurde doppelblind ausgeführt mit 25, 5 und 0 mg TVOC/m³. Bei 5 mg TVOC/m³ zeigten alle Probanten Symptome. Die Dauer der Studie betrug 4 Wochen. Die Exposition ist demnach als subakut, rsp. die Dauer als subchronisch einzustufen (Übersicht: download "Bewertungsgrundlagen", s. U.).
TVOC =
Total Volatil Organic Compounds ist die Summe des Gemischs der Lösungsmittel. Er wird auf zweierlei Wegen ermittelt. Es gibt verschiedene Verfahren die organische Gesamtmasse (C.gesamt) direkt auf chemischen Wege zu ermitteln. Der andere Weg ist die Ermittlung einzelner Komponenten und der anschließenden Addition. dabei sollten mehr als 100 Einzelstoffe berücksichtigt werden. Für eine sichere Aussage sind die Ergebnisse beider Verfahren vonnöten.
Grenzwertableitung
Bezeichnet man 5 mg/m³ als LOAELsubchronisch, ergäbe sich ein NOAELsubchronisch von 500 µg/m³ und daraus eine NOAELchronisch von 50 µg/m³. Dies Ergebnis wurde mehrfach überprüft.
Aus einer deutschen Studie (N=400) ergab sich ein LOAELchronisch von 900 µg/m³, woraus sich ein NOAELchronisch von 90 µg/m³ herleiten lässt.
Auf zwei Berechnungswegen ergeben sich praktisch identische Werte für die chronische Wirkschwelle (Ableitung in nachvollziehbarer Form, s. u., Download Bewertung II). Die Ableitungswege sind unabweisbar richtig und alternativlos.
Der Wert von 200 µg/m³ von Mølhave ist also eher eine Unter- als eine Überschätzung des Gesundheitsrisikos.
Er muss dringlich als Grenzwert (Richtwert im Sinne der Gefahrenabwehr) etabliert werden.
Chronische Wirkschwelle wird regelmäßig überschritten
Der Grenzwert von 200 µg TVOC/m³ wird in über 50% aller Gebäude überschritten. Der 50%-Perzentil beträgt 300 µg/m³ (der Mittelwert des Umweltsurvey von 1985 betrug 401 µg TVOC/m³)
Das bedeutet, dass 50% aller Stichproben größer und 50% kleiner waren als 300 µg/m³ (nicht zu verwechseln mit dem Mittelwert).
Über 50 % aller Wohn- und Büroräume sind demnach gesundheitlich bedenklich.
Der Vergleich zeigt, dass die zunehmenden Beschwerden, insbesondere in renovierten Räumen zu erwarten waren.
Erkrankungen sind Folge allgemeiner Unaufgeklärtheit
Es liegt in der Natur des Menschen, dass er Probleme weder vermeidet noch beseitigt, solange sie sie sich verdrängen lassen. Es ist derzeit von steigenden Zahlen von Erkrankungen gemäß SBS und TE auszugehen
Zwar wird von der Innenraumkommission gefordert, dass 200 µg/m³ langfristig unterschritten werden sollten, aber in öffentlichen Entscheidungen wird dieser Wert dann etwa mit der Bezeichnung "Komfortbereich" verniedlicht
In Sachen VOC-Bewertung steht demnach wissenschaftliche Erkenntnis machtlos gegen Vorurteil. Beliebte Floskel ist "rätselhafte Erkrankungen".
Berufliche Belastung stets kritisch
Daraus läßt sich auch ableiten, dass bei einer zusätzlichen beruflichen Exposition generell Wirkung bei den Personen höchster Suszeptilität erwartet werden muss. Dies ist auch der Fall. Wie die Wissenschaft in mehr als 30 Studien bewiesen hat. Toxische Polyneuropathie und Enzephalopathie sind die Folge bei Malern, Bodenlegern, KFZ-Mechanikern, Schuhmachern, Graphikern, metallverarbeitenden Berufen etc.
Allgemeine Unkenntnis ist gewollt
Der Sachverständigenbeirat beim Arbeitsministerium hat 1996 den Stand der Wissenschaft - bis auf die Liste der neurotoxischen Stoffe - korrekt dargestellt und die Einrichtung einer neuen Berufskrankheit, nämlich "toxische Enzephalopathie und Polyneuropathie durch organische Lösungsmittel" mit der Berufskrankheitennummer 1317 (BK 1317) empfohlen.
Nach Inkrafttreten fand sich im "Merkblatt für die Verdachtsanzeige" für die Ärzte eine falsche Beschreibung der Krankheit, nämlich Typisch sei, Ausheilung binnen zwei Jahren bei Schweregrad I, langse Besserung bei Schwergrad II, völlige Ausheilung der PNP binnen 3 Jahren und schließlich Progredienz nach Expositionsende spräche gegen eine toxische Ursache. Der Beirat hat die Krankheit also einmal richtig und einmal falsch beschrieben.
Das Neue Merkblatt tritt im März 2005 in kraft und der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) will nun 1 700 Verfahren neu bearbeiten.
Im neuen Merkblatt sind allerdings nun die neurotoxischen Stoffe auf 14 reduziert und die risikohaften Berufgruppen sind auf eine kleine Minderheit zusammen gestrichen. Man fälscht also erneut.
Beiräte, Internas, Öffentlichkeit
Im Beirat wird also gekämpft. Allgemeine "Empfehlungen sind (fast) richtig. Die rechtlich relevanten Vorgaben - die offizielle Formulierung des Standes der Wissenschaft so, dass möglichst wenige anerkannt werden.
Die einen, die sich an die wissenschaftlichen Tatsachen halten, schützen dennoch die Fälscher, indem man nach außen "keine Internats" bekannt gibt und von "bedauerlichen Fehlern" spricht, wo für jeden erkennbar Interessen über das Allgemeinwohl gestellt wurde.
Dieses System hat gezeigt, dass es garantiert, dass die wissenschaftliche Qualität unter jedes beliebige Niveau gedrückt wird, wenn wirtschaftliche Interessen das so wollen.
Forderungen
Im Sinne der Forderungen Ende der Homepage ist folgendes zu fordern:
- Beiräte müssen ab sofort öffentlich tagen und die Protokolle müssen für die Öffentlichkeit einsehbar sein
- Grenzwert für VOC muss 200 µg/m³ allgemein Anwendung finden.
- Soweit diese gezielten Falschdarstellungen in Prozessen, Prozessbetrug Vorschub geleistet hat, sollt dies strafrechtliche Konsequenzen haben.
Aufklärungs- kein Forschungsbedarf
Zur grundlegenden Bewertung von VOC-Gemischen gibt es keinen dringlichen Forschungsbedarf. Die grundlegenden Fragen nach chronischer Wirkschwelle, Klinik (Symptomatik) und Verlauf der Erkrankung, berufliche Risiken und Innenraumbewertungen sind geklärt.
Mag sein, dass es zu wenig Einzeldaten gibt, wenn unterschiedliche Gemische toxikologisch verglichen werden sollen, mag sein, dass diese Fragen Entscheidungen bei der Sanierung erschweren, grundlegende Hindernisse bei der Bewertung sind es nicht.
Aufgrund des Zusammenspiels von Vorurteil, Verdrängung und gezielter Fälschung des Standes der Wissenschaft wird einer hohen Zahl ständiger Neuerkrankungen Vorschub geleistet - es existiert ein Aufklärungsproblem.
Dunkelziffer: Risiko durch berufliche Exposition mit Lösungsmittel
9,8 Mio. Arbeitsplätze (Statistik USA) in Berufen mit entsprechendem Risiko; Ansatz für Deutschland 1/3 (weil ca. 1/3 der Bevölkerung): 3,27 Mio. Arbeitsplätze; bei einer Fluktuation der Arbeitnehmer von 2 bis 5 Jahren ergeben sich für die Dekade 11,43 Mio. Exponierte.
Bei 5% Erkrankungen (Rate großer Studien mit Neurotoxika im Niedrigdosisbereich, Veteranen-Studie, EPA-Studie (Innenraumstudie)) ergeben sich 571 333 Neuerkrankungen pro Dekade, rsp. 57 133 pro Jahr. In drei Jahren (2000 bis 2002) wurden 43 Fälle anerkannt (BK1317, Auskunft Bundesregierung).
Die Dunkelziffer errechnet sich aus (3 * 60 000) / 43 ≈ 4 000 ↔ 400 000%
Selbst wenn man die 1 700 abgelehnten Verfahren berücksichtigt, ergibt sich für den Zeitraum 1998 - 2004: (7 * 60 000) / 1 700 ≈ . 250 ↔ 2 500%
Mit anderen Worten: am Anfang steht gezielte Desinformation; allgemeine Unaufgeklärtheit lässt Frühsymptome übersehen, ist die Krankheit weiter fortgeschritten, trifft sie auf nicht- oder fehlinformierte Ärzte. So kommen nur die sehr fortgeschrittenen Fälle zur Begutachtung: etwa einer von 250 und anerkannt wurden bisher einer von 4000.