Schadstoffe
Einzelstoffe und Stoffgruppen mit einheitlicher Wirkcharakteristik
Umweltkrankheiten und toxikologischen Daten
Die Diskussion toxikologischer und epidemiologischer Daten einiger weniger Umweltsubstanzen in den letzten beiden Jahrzehnten haben die Erkenntnis erbracht, dass es mit Hilfe der geeigneten Zusammenschau aller zur Verfügung stehenden Daten möglich ist, Umwelterkrankungen zu prognostizieren. Denn bei Einbeziehung aller Daten über das ADI-Konzept hinaus - ist für gut bekannte Umweltgifte (s.u., Abs. 3, Dioxin) erkennbar, dass zwischen Wirkschwelle und Belastungsniveau keine erkennbare Differenz mehr besteht.
ADI-Konzept vermittelt voreilig Sicherheit
Zu dieser Situation ist es gekommen, weil die Ergebnisse des ADI-Verfahrens eine Sicherheit manchmal von Zehnerpotenzen vorspiegeln. Die Toxikologie erachtet es als ausreichende rationale Grundlage für Aussagen über absolute Sicherheit.
Beispiel Dioxin:
Für Dioxin ergibt sich nach dem ADI-Verfahren eine unbedenkliche Dosis von 10 pg/KG Körpergewicht/d. Beachtet man dagegen alle wissenschaftlichen Fakten aus Tierexperimenten, In-vitro-Versuchen und epidemiologischen Daten, wie es die amerikanische Umweltbehörde EPA 1994 vorgelegt hat, so erhält man für die Schädigung des Immunsystems, Krebs, Diabetes und Nervenschäden eine unbedenkliche Tagesdosis von 0,01 pg/KG Körpergewicht/d. Heute ist wohl international Konsens, dass bei einer Belastung von 10 pg/KG Körpergewicht/d die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung sehr hoch ist. Deshalb hat die WHO 1998 einen Grenzwert für die Gefahrenabwehr von 4 pg/KG Körpergewicht/d beschlossen. Dieser Wert ist identisch mit dem Mittelwert der toxischen Äquivalente aus Dioxinen, Furanen und coplanaren PCB’ s in den Industriegesellschaften.
Ubiquitäre Substanzen, Wirkschwelle und Referenzwerte
Überlappung von Risikobereich und Umweltniveau ist auch erkennbar für Ozon in der Außenluft, PCB, Cadmium, Blei, Nitrat im Trinkwasser, Lösungsmittelbelastung (bzw. Belastungen mit flüchtigen organischen Stoffen, VOC) in Innenräumen, berufsbedingte Belastung mit Organophosphaten (Schäfer, Kaufhausangestellte) sowie Innenraumbelastungen durch Pyrethroide (Kammerjägereinsätze, pyrethroidimprägnierte Textilien). Umweltmedizinisch auffällig sind darüber hinaus Hexachlorbenzol (HCB), Formaldehyd und DDT.
Die Referenzwerte für den menschlichen Organismus, oft als erste Orientierung beim Biomonitoring herangezogen, sind statistische Größen der Arbeitsmedizin und haben nach Lehnert und Angerer keine Aussagekraft bezüglich der Grenze zwischen gesund und krank. link Zitate.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen nennt bereits 1987 das Umweltniveau von Dioxin, PCB, „einigen Pestiziden“, Cadmium, Blei und Nitrat im Trinkwasser nahe der Wirkschwelle. Dies ist also Konsens. Wenn etliche ubiquitäre Substanzen ein Umweltniveau nahe der Wirkschwelle aufweisen, ist es nicht verwunderlich, dass Menschen mit geringfügigen Überbelastungen erkranken. Rechtlich muss von Gefahrenabwehr und medizinisch von adversen Reaktionen gesprochen werden. Der SRU verlangt deshalb (erstmals 1987), dass nicht der Durchschnitt, sondern die Risikogruppen betrachtet werden muss. Zu letzteren zählen vor allem chronisch Kranke.
Physiologische Referenzwerte bereits schadstoffbeeinflusst
Das Umweltniveau ist bereits so hoch, dass wir erwarten müssen, dass heute gemessene und erstellte Referenzwerte für die physiologischen Werte, die der Arzt zur Diagnose braucht schadstoffbeeinflusst sind. Für Dioxin zeigt ein Versuch mit Affen, dass bereits bei Konzentrationen, die der statistischen Untergrenze in der Muttermilch entsprechen, Immunreaktionen auftreten. Danach wären zumindest die Immunprofile betroffen. Die EPA erwartet adaptive Veränderungen im Bereich des heutigen Belastungsniveau.
Dies passt zusammen mit der Bemerkung von Prof. Rea, Environmental Health Center, Dallas, dass es außerordentlich schwierig ist, für Studien genug symptom- und medikamentenfreie Probanten für Kontrollgruppen zu finden.
Fazit: Toxikologie und Umwelterkrankungen
Die Toxikologie kann demnach für viele kritische Substanzen Umwelterkrankungen prognostizieren bzw. erklären. Das ADI-Konzept allerdings führt zu Widersprüchen. Die Vereinheitlichung auf eine Spezies und einen, den ingestiven, Belastungspfad nimmt keine Rücksicht auf die Toxikokinetik und den Wirkcharakter der Substanz und führt damit zu einer falschen Sicherheit.