Blockade des wissenschaftlichen Diskurs
Die Erde ist eine Scheibe
Gemessen am Stand der Wissenschaft und einer rationalen Beurteilung desselben müssten also die Verfahren in der großen Mehrzahl gewonnen werden. Dies ist aber nicht der Fall. Dieses liegt daran, dass nicht zählt, was nach einer akribischen Überprüfung des Standes der Wissenschaft tatsächlich vorliegt, sondern der Glaube daran, dass es sich hier um völlig neue Phänomene handelt.
Darüber hinaus orientiert sich ein deutscher Richter auch nur am Stand der Wissenschaft in Deutschland. Dieser ist in der Regel auf dem Stand der 70er Jahre, in bestimmten Fällen erreicht er nicht einmal dieses Niveau. Und dieses Niveau wird sehr gepflegt. Während beispielsweise SPECT etwa für Multiple Sklerose euphorischst gefeiert wird, wird der Schadensnachweis für eine chronische Intoxikation mit der gleichen Vehemenz bezweifelt oder gar kategorisch abgestritten. Ein Hamburger Spezialist erklärte kürzlich, „die in Skandinavien lachen uns schon laut aus“. Das Standardwerk für Nahrungsmittelallergien, „Food Allergy“, der Londoner Professoren Brostoff und Chalacombe enthält nur einen einzigen Beitrag aus Deutschland. Damit haben wir im Nationenvergleich wenigstens mit Mexiko gleichgezogen. Mit anderen Worten: die teils bewusste, teils unbewusste Weigerung, diese Informationen aufzunehmen, hat dazu geführt, dass wir in Deutschland das Niveau von Entwicklungsländern haben und einige wie Indien uns sogar überlegen sind.
Ein deutsches Gericht akzeptiert aber eine solche Darlegung nicht. Das LSG Berlin erklärte kürzlich – leider nur in der mündlichen Urteilsbegründung – die deutsche Medizin sei ja so aufgeschlossen, deshalb sei es undenkbar, dass das deutsche Niveau nachbesserungsbedürftig wäre. Dabei ging es um die Miller-Therapie 34 Seiten, auf denen insgesamt über 500 Literaturstellen präsentiert und gegliedert kommentiert worden waren, darunter über 20 Doppelblindstudien aus den 70er und 80er Jahren vom Gericht kommentarlos übergangen. Nur eine deutsche Studie aus den neunziger Jahren wurde beachtet und als Beleg gewertet, dass man die weitere Forschung abwarten müsse.
Die deutsche Medizin war mal führend – da fallen einem Namen ein wie Semmelweiß, Virchow etc. Dies war im vorletzten Jahrhundert.
Leben und Gesundheit – Gefahr für Leib und Leben
Nun gibt es Verfahren, die nicht wissenschaftlich begründet sind. Dazu zählt etwa die Akupunktur, die Homöopathie und diverse Verfahren der Immunstimulation. Teilweise werden diese Therapien erstattet, teilweise nicht. Hier sind auch Tendenzen erkennbar, in diesem Bereich die Erstattungsfähigkeit zurückzudrängen.
Kürzlich hat der Bundesausschuss die Erstattungsfähigkeit von Akupunktur abgelehnt. Eine eingeschränkte Anwendung der Akupunktur, nämlich zur Schmerztherapie wird als erstattungsfähig in Aussicht gestellt, sofern eine Studie deren Wirksamkeit erweisen sollte. Was bei der Studie herauskommt, kann man sich denken, wenn die gleiche Arroganz gegenüber der 2500-jährige Tradition, Wissen und Erfahrung der chinesischen Medizin die Feder führt.
Darüber hinaus gibt es nun Verfahren, die wirklich neu sind. Dies gilt für die Q10-Therapie oder die Immuntherapien mit sogenannten Immunfaktoren, wie z.B. die ALF-Therapie (Autogenuous Lymphogenic Factor). Erstere kann bei schweren Schäden des Zentralnervensystems helfen (dabei ist noch unklar, warum es in manchen Fällen hilft und in manchen Fällen nicht. ALF hilft bei schweren Fällen von MCS, bei denen von einem fast totalen Zusammenbruch der Immunabwehr gesprochen werden kann. Sie ist tiefgreifender und wirkungsvoller als alle anderen Methoden der Immunstimulation.
Das deutsche Sozialrecht verlangt, dass die Methode nur dann erstattungsfähig ist und nur dann Auslandstherapien genehmigt werden können, wenn die Methode allgemein anerkannt ist. Man will damit der Möglichkeit einen Riegel vorschieben, dass die Krankenversicherungen finanziell zur Austestung neuer Verfahren herangezogen werden. Allerdings wird dabei auch vorausgesetzt, dass ein Zuwarten medizinisch vertretbar ist, mit anderen Worten, dass es sich nur um Verbesserung der Lebensqualität, nicht aber um Gefahr für Leib und Leben handelt. Dies ist der tiefere Grund dafür, warum der Glaube ausgestreut wird, bei MCS, CFS, FM und anderen Umweltkrankheiten handele sich um harmlose, sogenannte „Befindlichkeitsstörungen“. Was darüber hinaus geht, nennt man Übertreibung bis hin zur Hysterie und empfiehlt entsprechende psychotherapeutische Behandlung.
Hier wird in noch viel stärkerem Maße, als etwa bei der Schmerzbehandlung durch Akupunktur, schwerstkranken Menschen eine mögliche und medizinisch notwendige Behandlung vorenthalten. Auch dieses ist offensichtlich verfassungswidrig.
Schadensersatz und Kausalität
Die Kausalität zwischen Exposition und Erkrankung lässt sich in der überwiegenden Zahl der Fälle herstellen. Vorausgesetzt ist der Nachweis der Exposition und des Schadenseintritts. Notwendig ist die Beachtung aller toxikologischen Informationen und die Herstellung deren Zusammenhänge. Sehr hilfreich bis notwendig ist neben Biomonitoring auch ein Effektmonitoring, welches einige deutsche Umweltärzte auch stets durchführen. Dann bereitet die Herstellung der Kausalität nur bei wenig erforschten Stoffen Schwierigkeiten.
Wenn nun in der Praxis oft in verwaltungsrechtlichen wie sozialrechtlichen Verfahren gutachterliche Bewertungen abgegeben werden, die sich um mehrere Zehnerpotenzen unterscheiden - wie dies z.B. das Büro für technische Folgeabschätzungen beim deutschen Bundestag vermerkt, ohne der Frage auf den Grund zu gehen -, so findet sich in aller Regel für
de Zehnerpotenz auch die Begründung. Jede Zehnerpotenz steht dann für eine wissenschaftliche Tatsache, die übergangen worden ist. Von der Industrie wird vorgemacht, wie man jede beliebige Verschiebung um einen Faktor 100, 1000 oder 10 000 herstellen kann, sofern man dies benötigt. Link Pyrethroide.
Bestimmte toxikologische und arbeitsmedizinische Gutachter sind sehr erfolgreich bei der Blockade der Anwendung von wissenschaftlichen Tatsachen, die eigentlich – und das teilweise schon Jahrzehnte – zweifelsfrei feststehen. Man vermeidet konsequent sie zueinander in Beziehung zu setzen. Jeder, der diese Blockade zu durchbrechen versucht oder auch erfolgreich durchbricht, wird sofort als unwissenschaftlich und unseriös stigmatisiert. Dies ist so erfolgreich, dass man von einem Tabu sprechen kann. Würde Brecht noch leben, könnte er einen weiteren Galilei schreiben.
Mühe macht nicht die Herstellung von Kausalität im Einzelfall und deren wissenschaftliche Begründung, sondern die Durchbrechung der Wand des Unglaubens.
Die akribische und nachvollziehbare Darstellung des Sachverhaltes, genügt nicht. Darüber hinaus muss der Gegenseite die Plausibilität genommen werden. Dies ist sehr schwer, denn sie deckt sich mit dem allgemeinen Vorurteil und wird mit hoher Autorität vertreten.