Einleitung (zu Buchmanuskript)
In einer Informationsgesellschaft ist Deutung alles. Denn es gibt kaum noch selbsterklärende „Tatsachen“, falls es die je gab. Die Klimakatastrophe war lange Zeit Modellrechnung. Erst seitdem die Gletscher schmelzen und Hurrikans heftige Kosten verursachen, wird sie als Realität empfunden [1]. Auch in dieser Frage gibt es mittlerweile Stimmen, die wenn’s denn nottut, jedes beliebige physikalische Gesetz leugnen. Wenn schon der gesunde Menschenverstand auf der Strecke bleibt, ist es mit sachlichen Diskussion um die Entwicklungen in unserer Welt recht Essig. All‘ die Anstrengungen des Club of Rome, Energiewende, Klimadebatte und Umweltkrankheiten sind dieser Gehirnwäsche weitgehend zum Opfer gefallen.
Dazu gibt es auf der Kampfebene ein neues Thema: Framing. Titel in der SZ: Kampf um den Deutungsrahmen (SZ 18.02.2019). In der Wissenschaft ist schon lange bekannt: „Wenn die Tatsachen der Theorie widersprechen, dann umso schlimmer für die Tatsachen“. Das ist der Primat der Theorie [2]. Man kann daraus Besserwisserei machen; so bereiten die besten Absichten die Katastrophe vor. Framing jedenfalls erlaubt wieder, Oma die Treppe runter zu schubsen und das Video davon als Beweis vorlegen, dass Oma schon immer simuliert hat. Die Tatsachen nämlich – die Umweltkranken oder besser: toxischen Invaliden – werden als Hysteriker oder Rentenneurotiker in einen anderen Rahmen gesteckt: wer krank ist, ist bloß faul oder will bloß sein Umfeld terrorisieren. Das Vorurteil ist der Ansatz, ergänzt durch Dummstellen. So etwas braucht Zeit, ist aber effektiv und vernichtet alle relevante Wissenschaft und für das Zusammenleben notwendige Empathie.
In den USA etwa wird ein MCS-Kranker ausdrücklich als Behinderter gesetzlich geschützt (US Department of Justice 1991). Bei uns werden sie als Psycho gemobbt. Die Praxis in Sozial- wie Verwaltungsrecht - deckt das ab. Dazu führen eine Abfolge von Gutachten und Urteile.
Wir wissen seit Mitte der 80er Jahre, was eine chronische Vergiftung ist, entstanden aus einer Langzeitbelastung im Niedrigdosisbereich. Dazu gibt es Meilensteine aus WHO-Kongressen und nicht nur immense richtungweisende Literatur, sondern auch Standardwerke. Auch der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen hat dies 1987 erkannt und auch sehr konkret Stoffe benannt, bei denen das Niveau der ubiquitären Belastung die toxische Wirkschwelle überschritten hat. Wir wissen also, dass unsere Welt toxisch ist. Und dies ist auch wissenschaftlich auf höchster Ebene anerkannt (SRU 1987). Aber gesellschaftlich und vor allem rechtlich werden nur Hotspots – die Sofortkatastrophen - gelten gelassen. Wir werden also anerkanntermaßen systematisch vergiftet und wir wissen es auch. Der Emissionscocktail ist zu stark oder die Welt zu klein:
Normal ≠ gesund
Wir wissen auch, was besonders geschädigt wird: das Hirn. Die WHO hat die Krankheiten definiert: MCS, CFS, TE und FM. Sind weder rätselhaft, noch unerforscht, noch selten. Sie sind – mittlerweile – auch gut verstanden. Sie waren anfangs „nur“ epidemiologisch bewiesen. Gerade jene wissenschaftliche Erkenntnis hat die Gehirnwäsche ausgelöst. Diese Erkenntnis soll die Gesellschaft nicht erreichen.
Es geht definitiv nicht um Sachzwänge oder ökonomische Zwänge: ungiftige Baumaterialien gibt es in jeden Baumarkt, Abgastechnik ist vorhanden, ökologischer Landbau hat Jahrtausende funktioniert etc. Es sind die Besitzstände bis hin zu der einfachen Weigerung, sich etwas sagen zulassen. Zu letzterem kann man die Stammtische zur Unterstützung hinzuziehen.
Das Buch stellt diesen Gehirnwäscheprozess dar und wer alles dabei mitgeholfen hat. Anfänglich fiel mir auf, dass ich immer die gleichen Rechenfehler korrigieren musste. Der Sinn für’ s entscheidende Detail fehlte von Anfang an in der Debatte. In Teil III findet sich das Repertoire der Täuschungen aufgelistet als Ergebnis eines Vernichtungsprozesses, bei dem alle mitgewirkt haben.
Der Dosisbegriff der Toxikologie wurde zerstört. Dosis ist Konzentrationen mal Zeit. Bei chronischen Vergiftungen ist der erste Faktor klein, der zweite groß. Den lässt man weg. Dann erscheint jeder toxischen Belastung harmlos. Die Grenzwerte begrenzen nur Konzentrationen. Keiner glaubt, dass er so simpel genasführt wird, dass schon ein Schüler den Rechenfehler begreifen kann.
Ja, man kann eine ganze Nation hinters Licht führen, obwohl die wissenschaftlichen Grundlagen und spezielle Auswirkungen alle recherchieren können. Die Bürgerinitiativen der 80er Jahre waren deshalb so stark (z. B. keine Plutoniumfabrik, keine flächendeckende Müllverbrennung), weil sie stets nach der sachlichen Begründung gefragt haben und dazu Wissenschaftler zu ihrer Unterstützung herangezogen haben. Heute wird alles über Autoritäten geregelt. Es wird gefragt, welche Experte was gesagt hat. Und wenn sich zwei widersprechen, dann heißt es „Tja, ist halt eine Glaubenskrieg“ (Maischberger in Sachen Stadtluft). So bleibt jede Falschmeldung stehen. Und der Lügner bleibt Experte.
Grund ist die mangelnde Courage. Der Wendepunkt war der Gesundheitstag 2000 in Berlin. Da wurde das Rauchen als Hauptschädling eingeführt und alle sind eingeknickt. Sie hatten sich bereits selbst den Weg verstellt, weil sie glaubten, die Moralpauke genügt. So haben sich all‘ die SHG’ s im darauffolgenden Jahrzehnt um Kopf und Kragen gejammert.
Meinen ersten Schock bekam ich, als es um Lösemittel in Schulen ging. Die Eltern der vergifteten Kinder, waren nicht in der Lage, ihre Kinder zu schützen. Man brauche nur lüften, sagte das Gesundheitsamt. Also wurde gelüftet. Folge: „Dürfen die Kinder den Anorak anbehalten?“ Bei 4° C wurde dann der Grenzwert unterschritten. Die haben in jede Hose gemacht, die man ihnen hingehalten hat. Eine Nation/Gesellschaft, die es nicht mehr schafft ihre Nachkommen gesund aufzuziehen, ist dem Untergang geweiht, ganz besonders dann, wenn es aus purer Feigheit geschieht.
Anlass zu diesem Buch war die Entdeckung von Unregelmäßigkeiten bei einer Berufskrankheit. Die BG hatte die toxische Enzephalopathie, die eine chronische Krankheit ist, für heilbar, ja sogar für selbstausheilend erklärt. Eine Falschdarstellung mit einer klaren Antwort für die Frage „cui bono“. Der Sachverständigenbeirat hat dies via neues Merkblatt bereinigt (BMA 2005). Der Vorgang wurde aber nicht verstanden. Keiner wollte verstehen, dass solche Unregelmäßigkeiten die Norm sind und dass das neue Merkblatt nur dann hilft, wenn es auch rechtlich genutzt wird.
Ich glaubte, ein Essay, wenn auch ein bisschen länger als ein üblicher Magazinbeitrag würde genügen, da es ja so offensichtlich ist. Sogar die Hilfe eines stellv. Chefredakteurs mit etlichen wichtigen Tipps zum Schreiben und Korrekturen zum Text führte nicht weiter. Auch er wollte das offensichtliche nicht sehen: „Sind die wirklich so dreist?“ – Ja, weil ihr denen alles glaubt. Das war 2005 und es ist stetig schlimmer geworden. Die Fakten interessierten nicht. Was hat die Gehirnwäsche so effektiv gemacht, ganz ohne Gewaltmittel? „Das hervorragende Merkmal unserer Gesellschaft ist, dass es so viel Bullshit gibt.“ (Frankfurt 2006, S. 1). Frankfurt beschreibt die Zerstörung von gesichertem Wissen als geistiges Problem unserer Zeit.
Bullshit zerstört nicht nur Wissen: bereits 40% aller Erwachsenen leiden unter einer chronischen Krankheit (Robert Koch-Institut 2014). Deshalb hat man alles getan, um den Vorgang und dessen Ursachen aus dem Bewusstsein zu drängen. Krankheit hat persönliches Schicksal zu bleiben, schon wegen der rechtlichen Konsequenzen.
Dieser Fortschritt erfolgte in zwei Phasen: zurückrudern von Ende der 80er bis 2000. Die komplette Verdummung bis heute, wo bei die Sache an Beschleunigung gewinnt. Der Gipfel ist die These, ein Adventskranz sei schlimmer als der Autoverkehr. Dabei wurde Mikrogramm mit Nanogramm, Konzentration mit Menge und Kurzzeitbelastung mit lebenslang verwechselt. Das ergibt eine Fehlbewertung von mehr als einer Million ( www.blog.dr-merz.com: Aufsatz „Nuhr so weiter…“). Darauf sind alle hereingefallen, auch jene, denen schon klar war, dass das mit der Kerze eine Nebelkerze war – keiner hat die Grundinformation gegoogelt. Sachaufklärung ist nicht mehr zeitgemäß, denn Klick ist schneller als denken.
Die Welt sieht wie folgt aus:
Wir haben im Überfluss: Menschen, Geld und Wissen. Letzteres wird systematisch zerstört, die ersteren werden eingeschüchtert und die Mittel werden für die Ego-Pflege derer, die sich das leisten können, reserviert. Was wir zu wenig haben, ist Luft, Wasser, Anbaufläche und biologische Vitalität (Rückgang um 75% (Insekten, Vögel)), Nahrungsmittel, insbesondere Fisch.
Schwer zu verstehen ist der Furor. In den 90er Jahren hat man die PCB-verseuchten Gebäude noch abgerissen, nun werden die Geschädigten gemobbt. Unterricht unter der Bedingung von chemischer Hirnschädigung von Lehrern und Schülern. Man beschimpft toxische Invaliden, lässt Lehrer und Schüler im Stich, alles wegen eines Gebäudes? Um das Ego muss es schlecht stehen, wenn schon jeder kleine Bürgermeister, der sich ein Denkmal setzen wollte, um sich beißt, wenn das Gebäude sich als toxisch herausstellt. Das Gleiche gilt für das Ego der Betroffenen, die sich klein machen lassen, wenn man ihren Kindern mit schlechten Noten droht. Vielleicht schwänzen sie jetzt deshalb.
Das Hauptproblem ist die Gehirnwäsche. Sie ist in dieser Form und Intensität neu: Die Generationen in der Abfolge: aus dem Krieg kam die stumme Generation (Terror und Krieg konnten sie nur schwer verarbeiten, hauptsächlich wurde verdrängt), wir 68er hatten eine große Klappe und dicke Rosinen im Kopf (wir wollten Jeans tragen dürfen, Negermusik genießen, Haare wachsen lassen und natürlich die Weltrevolution, wenn wir schon mal dabei sind), aber ohne das, wüsste Deutschland bis heute nicht, was Demokratie eigentlich ist (erst durch A. Dobrindt ist mir aufgegangen, wie nachhaltig unsere Diskussionsfreudigkeit gewirkt hat; wenn ein paar Tabus weg sind, tut sich die Reaktion schwer). Dann kamen die moralinsauren Besserwisser (vom Energiesparen zur Ökomoral: Die Welt wird privat gerettet, ohne Systembezug; mit dem Systembezug haben wir uns immer herausgeredet). Anschließend die Noutellageneration (vom Positivdenken zu disziplinierter Sachlichkeit, allerdings überlassen sie andern, die Definition, was Sache ist). Die werden sich mal fragen lassen müssen: „Warum wart ihr solche entsetzlichen Feiglinge?“ – Irgendwann an einem Freitag.
Der materielle Schaden des Bullshit, ist die mannigfaltige straffreie fortgesetzte Körperverletzung. Das wird möglich, indem schon der Hauptkommissar, dann der Staatsanwalt, ein Gutachterproblem bzw. Gutachterstreit ohne strafrechtliche Relevanz konstatiert. Dazu brauch es nur einen Gutachter, ja oder nur einen Hausarzt, der erklärt, er könne eine Intoxikation nicht objektivieren. Solche gibt es immer – in Sachen NOx gibt es gar eine Namensliste (Köhler 2019).
Die Gliederung des Buches:
Teil I - Nachweises systematischer Täuschung,
Teil II - Wissenschaft, Wurzeln der Umweltmedizin, Aufklärung der Pathomechanismen, spezifische Laborparameter für Energiedefizit und Hypersensibilisierung
Teil III - Mechanismen der systematischen Zerstörung von Wissen.
[1] Auch andere Modellergebnisse bestätigen sich: die Gletscher in der Antarktis gehen schneller zurück – d. h. die Erwärmung ist an den Polen am stärksten – und der Golfstrom wird langsamer.
[2] In der Wissenschaft gilt immer der Primat der Theorie. Die harmlose Variante ist etwa die: der Kurs sieht im Mikroskop so komische Kringel und der Kursleiter erklärt, dass das Zellen sind, warum welche eckig sind (Epidermis) und welche rund (etwa Leukozyten) … In den Schulbüchern steht meist nur die Theorie, nicht ihr Zustandekommen. Letztendlich kommt es darauf raus, dass das erst geglaubt und dann gemerkt wird. Problematisch wird die Sache, wenn die Grenze zwischen Glaubensbekenntnis und Theorie unklar wird. Man kann mit Wissenschaft genauso Schindluder treiben, wie mit dem Glauben. Das zeigt die Umweltdebatte. Da behauptet einer (Köhler) die Grenzwerte seien unsinnig; man überführt ihn der Lüge (Zahlenmanipulation), dann wird daraus ein „Glaubenskrieg“ (Maischberger). So wird aus Theorie im guten Sinn geistiger Abfall zur Massenmanipulation.