Desinformation
"On Bullshit"
"One of the most salient features of our culture is that there ist so much bullshit. Everyone knows this. Each of us contributes his share."
Harry G. Frankfurt, "On Bullshit", Princeton University Press, 2005
Falschgutachten.... mit System
"Haben falsche Gutachten ein System?" fragte die taz am 5. Mai 2006. Die Frage war überfällig. Schon ein Jahrzehnt früher monierte Prof. Frentzel-Beyme, dass unbewiesene Thesen von bestimmten Gutachtern ex cathedra als absolute Wahrheiten verkündet und ihren Gutachten bestimmend vorangestellt werden. Dank Prof. Frankfurt, Princenton, kennen wir nun auch die philologischen Grundlagen und die Logik einer optimalen Täuschung der Öffentlichkeit. Desinformation ist gut organisierter Unfug.
In der Tat, wie geht das? Wie kann man eine wissenschaftliche Öffentlichkeit zielgerichtet täuschen, ohne als Lügner entlarvt zu werden? Ganz einfach: indem man nicht lügt! Wie kann man aber täuschen ohne zu lügen? Indem man etwa einen passenden Spezialfall zunächst erfindet - wer kann schon beweisen, dass er nicht existiert - und zur absoluten Richtschnur verallgemeinert! Voilà, schon habe ich die Regel entscheidend geändert. Was herauskommt, ist Unfug, taugt aber durchaus dazu als herrschende Lehrmeinung akzeptiert zu werden, denn meist findet sich keiner, der sowohl das eine wie das andere bestreitet. Deshalb ist ein solches System schwer zu knacken, insbesondere dann, wenn es professionell betrieben wird.
Nach diesem Prinzip funktioniert fast jedes Gutachten im Bereich Chemikalienschaden oder sonstige Umweltschäden. Bisher wurde das noch nicht thematisiert.
Das System heißt Bullshitting
In allgemeiner Form, nämlich als philosophische Frage, ist das Thema in den USA ein Bestseller (lt. Spiegel). Akademische Abhandlungen sind normalerweise nicht der Stoff, der zu Bestsellern taugt. Es ist wohl so, dass der Zeitgeist nun soweit ist. Das gab es schon früher: etwa die bürgerliche Aufklärung des 18. Jh. gegen die Dogmen von Kirche und Absolutismus oder die Analyse - manche Autoren reden von Entlarvung - von Ideologien im 19. Jh. Es scheint die nächste Runde ist fällig.
Die eingangs zitierte Schrift des Philosophen Harry G. Frankfurt "On Bullshit" zeigt die kulturelle Bedeutung und arbeitet den begrifflichen Kern heraus. Der zentrale Begriff, 'Bullshit' ist nicht ins Deutsche übersetzbar - etwa "Bockmist" führt in die Irre. Schwerpunkt Frankfurts philologischer und philosophischer Deduktion ist die Differenz zwischen Bullshit und Lüge. Beide haben das Ziel zu täuschen. Es geht hier nicht um Irrtum (damit haben sich die Aufklärer des 18. Jh. abgeplagt). Im 20. Jh. hat Wittgenstein erstmals, die Frage nach dem Wesen von 'Unsinn' in die Erkenntnistheorie aufgenommen.
Ergebnis: Eine Lüge ist, wenn der Sprecher glaubt, dass das was er sagt falsch ist. 'Bullshit' ist, wenn der Sprecher sich nicht darum schert, was richtig oder falsch ist. Er konzentriert sich darauf, dass der andere ihm glaubt, dass er den Köder schluckt. Jedes System von Wahrheitswerten besteht aus "sicherem Wissen", "plausiblen Schlussfolgerungen", "naheliegenden Vermutungen", "möglichen Irrtümern" etc. - Bullshit besteht aus erfolgreicher Täuschung, Bluff, Fake etc pp.
Philologischer Zugang: Im Oxford English Dictionary (OED) findet sich ein literarisches Textbeispiel für den Zusammenhang von Bluff und Bullshit: "Lüge Dich nicht durch, wenn du dich durchbullshiten kannst". Bullshit ist nicht falsch, es ist gefälschte Realität, eine kreative Mixtur zum Zweck der Täuschung. Zur philologischen Erläuterung werden die drei englischen Wörter "bluff, fake und phoney" herangezogen. Da bluff und fake mittlerweile im Deutschen gebräuchlich sind, soll diese Frage hier nicht weiter vertieft werden.
Der Informationsgehalt von Bullshit ist gleich Null. Ein Bezug zur Wahrheit - positiv oder negativ - existiert nicht. Bullshit ist Desinformation pur:
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Bullshit kann nicht widerlegt werden, denn der Bullshiter kann sich wieder herausbullshiten - oft genügt schon eine Überdosis Arroganz.
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Bullshit ist risikoärmer: es wirkt weniger persönlich und wird deshalb weniger übel genommen
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Zeugnis vor Gericht: Unsinn ist nicht strafbar, auch nicht unter Eid
Während sich der Lügner dessen, was er für Wahrheit hält bewusst bleiben muss, besteht für den Bullshiter diese Notwendigkeit nicht. Ja die Auflösung aller bekannten Zusammenhänge ist sein Gebiet; er zerstört, was zusammengehört. Deshalb ist der Bullshiter "schlimmer als der Lügner" (Frankfurt 2005, S. 61).
Kein Nomen, kein Omen
Mit dieser Begriffbildung löst sich auch das Problem des Nominalismus. Ein Thema ist nämlich schwierig, wenn man nicht sagen kann, um wen (Nomen) es geht und um was (Omen) es geht; also, wenn man nicht angeben kann, worum es geht.
Bush rechtfertigt jeden Rechtsbruch oder -abbau mit dem "Krieg gegen den internationalen Terrorismus". Das Kind hat damit einen Namen und subsummiert wird, was dem Namensgeber passt.
Falschgutachten basieren meist nicht auf Fälschung, also Abänderung eines Originals, sondern auf einer Verfälschung der wissenschaftlichen Grundlagen. Dieser Technik kommt man auch juristisch nicht bei. 'Betrug' scheidet aus; dafür fehlt die unmittelbare Vorteilsnahme. "Fälscher" passte schon besser. Allerdings ist der Gegenstand nicht ausreichend definiert. Bei einem Scheck, einem Picasso oder einem Dokument ist Fälschung definiert und prinzipiell nachweisbar. Was aber ist die Fälschung des Standes der Wissenschaft? Die Folgen für den Ruin von Gesundheit, Versicherungsschutz, sozialen Status und Finanzen sind enorm. Die juristische Auskunft auf die Bitte nach Bewertung lautete: "Das ist gemein", d. h. vergleichsweise Geringeres wird hart bestraft, Bullshit eben nicht.
Es sind also Schlitzohren mit Protegé. Wahrheitstechnisch genügt oft schon Selektion - etwa Ignorieren von Langzeiteffekten. So konnte man beobachten, dass bei Gutachten immer wieder die gleichen fundamentalen Fehler zu korrigieren waren. Ein wichtiges Wort ist "derzeit" in Sätzen wie "Gesicherte Erkenntnisse stehen derzeit noch nicht zur Verfügung". Also Prinzip: der Wissenstand von gestern oder Vorgestern; etwa: die Erde ist eine Scheibe. Der Bullshitter braucht Phantasie und Chuzpe; Fachkenntnisse sind eher hinderlich. Intellektuell gesehen, sind die Aussagen lächerlich - der entscheidende Punkt ist aber:
es traut sich keiner zu lachen. Davon zeugt der Zustand von Toxikologie und Umweltmedizin, Beispiele:
Leere Sätze als Lehrsätze
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Klassischer Bullshit ist etwa die Stellungnahme von Edward Teller: "Die Risiken der Strahlenbelastung sind zu unrecht dramatisiert worden ... Wenn wir keine Atomversuche zu friedlichen Zwecken mehr durchführen, wird die Menschheit ins Mittelalter zurückfallen". Gemeint waren oberirdische Versuche bei Las Vegas zu denen Tausende als Zuschauer gepilgert sind. Das Beispiel zeigt, wie wirkungsvoll Bullshit ist. Bei einer Klapperschlange wären die Leute sicher vorsichtiger gewesen.
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Klassischer Bullshit ist die These, Umweltkrankheiten entstünden als Wahn durch hysterische Verarbeitung von Lektüre von Toxikologielehrbüchern (sog. 'Toxikopie'): Entwickelung exakt der Symptome, die dort nachzulesen sind. So abstrus dies ist - Toxikologielehrbücher gefährlicher als Drogen ?? -, die These hat jahrelang die Debatte beherrscht, z.B. im Bundesärzteblatt - Ärzte können dort wissenschaftliche begründetet Hypothesen über chronische toxische Belastung bis heute nicht nachlesen und genau das ist der Sinn der Übung: Bullshit - beherrscht die Debatte, ergo eliminiert alle Realität. Das ist ein Falle: schon die ernsthafte Diskussion solcher Thesen ist die Niederlage, weil man dann das Gebiet von Realität verläßt.
- Bei Neurotoxika überhaupt psychische Ursachen zu erwägen, ist Bullshit, denn Neurotoxika erzeugen psychische Defizite.
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Nachweisbare Lüge dagegen ist der Le(e)(h)rsatz, toxische Nervenschäden würden "typischerweise" ausheilen. Weil widerlegbar - sie tun es nie (!) - musste das Merkblatt zur BK 1317 geändert werden (März 2005).
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Näher der Lüge als dem Bullshit ist zu behaupten, die Irreversibilität von Nervenschäden sei nicht nachgewiesen. Bei den VOC zeigen dies alle Studien mit Verlaufskontrollen. Danach ist "toxische Nervenschäden sind irreversibel" als Lehrsatz vertretbar. Bullshit daran ist, dass der Spezialfall - hohe Kurzzeitbelastung zum Zweck der Narkose - verallgemeinert wird.
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Die Behauptung, bei nur 14 VOC sei die Neurotoxizität nachgewiesen ist Bullshit. Diese These findet sich bei nur einem Autor (Triebig). Die Schweizer Arbeitsmedizin bekennt offen, dass Lösungsmittel generell neurotoxisch sind. (Begründung. s. Pkt. 4., epidemiologische Studien). Die 14-Stoff-These lässt sich aber kaum als Lüge entlarven. Präsentiert man einen 15. Stoff, ist das "ein bedauerliches Versehen", etc. Keiner wird die Geduld aufbringen, etwa einen Grundsatzvortrag 10 000 Originalarbeiten öffentlich zu diskutieren. Wenn sich also einige existentiell gut abgesichert Schlitzohren einig sind, können sie wissenschaftliches Material von Jahrzehnten vernichten - schlimmer als Lüge !
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Auf Frage, was denn seriöse Wissenschaft sei, beschieb ein Gutachter dem Gericht unverblümt Zensurmechanismen: "Seriöse Wissenschaft ist, wenn vor der Veröffentlichung ein Konsens erzielt wurde" mündlich in der Verhandlung: "So geht Wissenschaft". Schon die Unterscheidung von seriös und unseriös in Bezug auf Wissenschaft ist unseriös - also Bullshit.
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Die Grundlage vieler deutscher Forschungsgruppen, dass MCS etwas Neues sei und gänzlich unerforscht, ist Bullshit: Erstbeschreibung 1948, erster Doppelblindnachweis 1962, Kompaktlehrbuch: 4 Bände, 3000 Seiten
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Die deutsche MCS-Forschung begann bei Null. Das war das Meisterstück: wir erklären alle wissenschaftlichen Erkenntnisse aus 5 Jahrzehnten - d. h. die gesamte amerikanische Umweltmedizin, deren gründliche universitäre Überprüfung - für unwissenschaftlich. Wir erfinden das Rad zum dritten mal. Man sieht, Bullshit ist manchmal durchaus eine beachtliche Leistung.
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Bullshit ist, wenn behauptet wird, es gäbe keine wissenschaftlich erhärtete Erkenntnisse zu diagnostischen Instrumenten für organische Schäden bei Umweltkrankheiten. Tatsächlich herrscht die Qual der Wahl Das Gleich gilt für Therapieansätze. Eine besonders grobe Form ist die Beschimpfung der Millertherapie als "irrational". Je leerer die Kritik, desto anmaßender der Vortrag. Denn die Therapie ist mehrfach doppelblind verifiziert und validiert. Medizinisch ist es ein Verstoß gegen den hypokratischen Eid: Es gibt therapeutisch keine Alternative. Bullshit ist demnach charakteristischer Weise großspurig und rücksichtslos: notwendige medizinische Versorgung ist uninteressant
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Bullshit ist zu behaupten, Sport helfe gegen Vergiftungen.
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Bullshit ist die Behauptung, der Nachweis einer Typ-IV-Allergie sei nur für Pharmaka validiert, nicht aber für Chemikalien. Jedes Therapeutikum ist eine Chemikalie, selbst wenn es durch Pflanzen produziert wurde.
Nach Frankfurt ist Bullshit nicht nur Sprach- sondern auch Tatkategorie. Es ist immer notwendigerweise mit Selbstdarstellung verknüpft. Da Bullshit sonst nicht mit Realität verknüpft ist, hat es nur Existenz in Verknüpfung mit einer Person oder juristischen Person. Bullshit kommt aus der gleichen Logik heraus kaum ohne Droh- und Imponiergehabe aus. Diejenigen, die die inhaltliche Leere erkennen und ansprechen, müssen notwendigerweise ausgegrenzt werden.
"Die Erde ist eine Scheibe" ist ein historischer Irrtum. "Wir sind die seriösen Umweltmediziner" ist Bullshit.
Expertokratie ...
Die wenigen gut organisierten bullshiter gelten als hochrangige Experten. Sie beraten Regierung, Parlament und gutachten vor Gericht. Somit ist die Gewaltenteilung des bürgerlichen Rechtsstaates aufgehoben.
Es sind immer dieselben, an einer Hand abzählbar. Ehrenrührige Niederlagen konnten einzelnen Vertretern nichts anhaben. Sie sind mit Unterlassungsklagen gegen „Unbedenklichkeitsgutachter“ (Lehnert) ja gar „Fälscher, Gefälligkeitsgutachter und Dilettant“ (Triebig) vor Gericht unterlegen. Doch sie blieben Mitglied in den Gremien.
Gremien ...
Bullshitting hat den weiteren Vorteil, dass es auf den Inhalt nicht ankommt. So kommt es darauf an, wer spricht. Das ermöglicht Desinformation, die jegliche Kontrolle, sei es demokratische Kontrolle, rechtliche Prüfung oder fachliche Überprüfung aushebelt. In Fachgremien sind eigens dafür aufgebaute Autoritäten institutionalisiert. Die Fälschungen in den Merkblättern zur BK 1317 machen offensichtlich, dass fachliche Qualitätskontrolle und Schutz vor sachfremder Interesseneinwirkung nur öffentlich erfolgen kann. Grundbedingung ist die Offenlegung der Sitzungsprotokolle. Nur dann hat wissenschaftliche Qualität eine Chance. Der Mut bullshit als bullshit zu bezeichnen, muss allerdings aufgebracht werden.
Denn die Geheimhaltung in Beiräten wie dem genannten ist absolut: Es ist nicht bekannt, wer Mitglied ist und schon gar nicht, wer sich durchsetzt und womit. Selbst als die Blamage öffentlich war, das der Sachverständigenbeirat in Sachen BK 1317 im Merkbaltt das Gegenteil von dem geschrieben hat, als in den Empfehlungen zur Einrichtung der Berufkrankheit durch Lösemittel, wurde während der Novellierung jegliche Kommunikation mit außen abgelehnt. Im Verborgenen entfaltet ein System der Verlockung und Einschüchterung große Effektivität. Für die Karriere ist es wichtig, wer zu Kongressen eingeladen wird, wer wo publizieren kann, bei Gutachtenvergabe empfohlen wird und wer Sitz und Stimme in einem hochrangigen Gremium hat. Wer nicht mitspielt, hat allein keine Chance sich zu wehren, sondern nur die Chance, jenen Sitz zu verlieren.
Der Gang der Deduktion über Bullshit - Kurzzusammenfassung
Frankfurt geht sofort in medias res. Er stellt fest, dass wir keinerlei Theorie besitzen, über etwas, dass unsere Kultur wesentlich bestimmt, nämlich Bullshit.
Frankfurt unternimmt eine philologische Klärung des Ausdrucks "Bullshit" und eine philosophische Analyse seiner Substanz. Die sprachliche Analyse bedient sich eines publizierten akademischen Diskurses "Über das Vorkommen von Humbug" und der Sprachdefinitionen des Oxford English Dictionary (OED) über den Gebrauch von "bull", "bull session" und "bullshit".
Humbug wurde hat in jenem Diskurs wie folgt definiert: das Ziel ist zu täuschen; das zentrale Mittel ist Verfälschung, "nahe der Lüge", insbesondere der eigenen Gedanken, Gefühle oder Haltungen; charakteristisch ist dabei Anmaßung in Worten und Taten. Es handelt sich also um eine bewusste Falschdarstellung in Verknüpfung mit einer täuschenden Selbstdarstellung und es verbleibt nicht bei Interpretationen, sondern ist auch immer Tat.
Frankfurt ist nur in Bezug einer wichtigen Bestimmung radikal anderer Meinung. Er arbeitet heraus, dass dieses "nahe der Lüge" von der Substanzbestimmung von Bullshit wegführt. Die Differenz zur Lüge heraus zuschälen ist die Hauptarbeit, der sich Frankfurt widmet.
Ein erster Schritt sind einige Überlegungen zu Wittgenstein, der sich akribisch über das Wesen und die Bekämpfung von Unsinn bemüht hat. Etwa, wenn jemand leichtfertig zu Vergleichen greift, die nicht passen; nicht nur ein Schritt hinaus aus der Realität, sondern auch das betreten eines Feldes, dass weder der Sprecher noch der Angesprochene beurteilen kann, etwa "Ich fühle mich wie ein überfahrener Hund". Niemand kann beurteilen wie sich ein solcher fühlt.
"bull" heißen beim Militär sinnlose Beschäftigungen, die den Drill als Sinn längst verloren haben, in einer "bull session" können die Teilnehmer alles behaupten, ohne dass sie später dazu stehen müssen, und "bullshit" ist sprachlich verwandt mit leerem Gerede oder "heiße Luft". Schnell wird auch klar, dass es nicht um Sachaussagen geht. Es geht nicht darum, ob es Zauberer gibt, die Erde eine Scheibe oder ein heiliger Krieg gerecht ist. Es geht auch nicht nur darum, die Meinung oder den Glauben des Sprechers zu verschleiern. Die Sprachanalyse - Literaturstellen im OED - findet die Verbindung zu "Bluff" und eine signifikante Differenz zur Lüge: der Rat eines Vaters "Lüge dich nicht durch, wenn du dich durch bullshitten kannst". Bullshitting ist demnach wesentlich anders und hat Vorteile.
Als Substanz von Bullshit ergibt sich nach Frankfurt ein Mangel an Wahrheitsbezug, ein Fehlen jeglichen Kontaktes zu einem Wahr-Falsch-Bezugssystem. Dieser pure Schein ist essentiell nicht falsch, sondern gefälscht (fake), es ist essentiell Fälschung pur. Bullshit ist deshalb auch inhaltlich leer. Frankfurt vergleicht Bullshit mit dem Begriff Exkrement, des Wesen es ist von Nahrungsgehalten entleert zu sein.
Bullshit enthält keine Realität außer dem Willen des Sprechers, Argumente beiseite zu wischen und sich ohne einer sachlichen Rechtfertigung durchzusetzen. Bullshit ist deshalb realitätszerstörend und "schlimmer als die Lüge".
Politisch bekannt ist die Vertuschung. Bullshit geht noch weiter: es wird eine verfälschte Art und Weise, über eine Sache zu denken, dominant platziert, die blind für die Falle macht. Das Opfer weiß auch im Nachhinein nicht, wie es das eigenen Schicksal verstehen soll. Das Zitat von Edward Teller ist ein Klassiker: keiner will rückständig sein, jeder will positiv sein und über das Risiko sind sich ja die Gelehrten nicht einig. "Wenige Stunden nach den Tests fielen Wissenschaftler der AEC in ihren Schutzanzügen in die umliegenden Städte ... ein und untersuchten mit ihren tickenden Geigerzählern den radioaktiven Staub auf Rasenflüchen, Veranden und Autos. 'Selbst der unbedarfteste Bürger muss gemerkt haben, dass etwas nicht stimmte' schrieben zwei britische Journalisten." (Denton und Morris, Las Vegas, Geld und Macht, S. 188)
Teilübersetzung - etwa 3/4 des Textes.